Freitag, Dezember 27, 2024
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5 Schwellenländer-Mythen

Ein aktueller Marktkommentar von Chris Kushlis, Kreditanalyst bei T. Rowe Price und Leiter der Makrostrategie für China und Schwellenländer:

Schwellenländer weniger von externen Faktoren abhängig

Das Marktumfeld für Schwellenländer hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Das sich verlangsamende globale Wachstum und die Verschärfung der finanziellen Bedingungen haben zu einem schwierigeren Umfeld geführt. Für einige bestätigt dies nur die Wahrnehmung der Schwellenländer als rein kurzfristige, taktische Allokation, die zwar potenziell hohe Renditen bietet, aber mit einem erhöhten Risiko und einer höheren Volatilität einhergeht. Diese traditionelle Denkweise wird den heutigen Schwellenländern jedoch nicht mehr gerecht und unterstreicht die Notwendigkeit eines differenzierteren Investitionsansatzes. Das globale Umfeld ist zwar schwieriger geworden, aber es unterstreicht auch den differenzierten Charakter der Schwellenmärkte, da sich fundamental gut verankerte Länder von schwächeren Gegenspielern unterscheiden.

Mythos 1: Verlangsamtes globales Wachstum bedeutet, Schwellenländer zu meiden

Der Leitfaden für Investitionen in Schwellenländer hat sich geändert, da die Entscheidungen nicht mehr in erster Linie von der Phase des globalen Wirtschaftszyklus abhängen. Während früher eine expandierende Weltwirtschaft, hohe Rohstoffpreise und moderate geldpolitische Bedingungen als Voraussetzung galten, sind viele Schwellenländer aufgrund ihrer zunehmend binnenwirtschaftlichen Ausrichtung weit weniger von externen Faktoren abhängig. Diese sind zwar immer noch einflussreich, aber sie sind Teil eines breiteren Mosaiks neben den fundamentalen Einflüssen auf Länder-, Sektor- und Aktienebene.

Die heutige Landschaft der Schwellenländer erfordert daher einen detaillierteren Ansatz und länderspezifisches Fachwissen, da allgemeine Verallgemeinerungen über die Schwellenländer zunehmend angreifbar werden. Zusätzlich zu den Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern bieten die Schwellenländer ein vielfältiges Angebot an Vermögenswerten, in die investiert werden kann, einschließlich Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährung und Anleihen in lokaler Währung sowie tiefere, reifere Aktienmärkte.

Auch das externe Umfeld hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, und der steile Anstieg der Zinssätze in den Industrieländern, insbesondere in den USA, wird voraussichtlich länger anhalten als ursprünglich erwartet. Die Auswirkungen dieser restriktiven Politik sind auf den Schuldtitelmärkten der Schwellenländer unverhältnismäßig stark zu spüren. Auf der einen Seite steht eine Gruppe von Ländern, darunter Mexiko und die größeren Volkswirtschaften in Südamerika (z. B. Brasilien, Chile, Peru, Kolumbien), die sich auf robuste Fundamentaldaten stützen können. Diese Gruppe hat weiterhin Zugang zu den Kreditmärkten und die Spreads sind angemessen und relativ stabil geblieben. Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe von fundamental schwächeren Schwellenländern, die infolgedessen zunehmend von den Kreditmärkten abgeschnitten sind.

Im Jahrzehnt vor der Coronavirus-Pandemie, als die weltweiten Leitzinsen nahe Null lagen, konnten viele Schwellenländer zum ersten Mal Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten erhalten und neue Anleihen zu überschaubaren Renditen und mit relativ geringem Ausfallrisiko ausgeben. Heute jedoch, wo die Leitzinsen nahe bei 5,5 % liegen, sind diese Länder einfach nicht mehr in der Lage, neue Anleihen zu tragbaren Renditen zu begeben. Da sie keinen Zugang zum Markt haben, haben sie Schwierigkeiten, ihre kurz vor der Fälligkeit stehenden Schulden zu refinanzieren, und viele von ihnen sind entweder bereits ausgefallen oder laufen Gefahr, dies zu tun.

Mythos 2: Schwellenländer bieten wenig defensive Qualitäten

Eines der größten Missverständnisse unter Anlegern ist, dass es in den Schwellenländern nur dynamische, wachstumsorientierte Unternehmen gibt, während defensivere, wertorientierte Gelegenheiten rar gesät sind. Die Daten zeigen, dass der Großteil aller aktiven Gelder, die in Schwellenländeraktien fließen, in Wachstums-/Kernstrategien investiert wird, während nur ein Bruchteil der gesamten Mittel in wertorientierte Strategien fließt. Diese enorme Verzerrung bedeutet, dass viele wertorientierte Chancen, insbesondere in traditionellen „Old Economy“-Bereichen wie dem verarbeitenden Gewerbe, übersehen oder ignoriert werden. Folglich gibt es viele gute Unternehmen, die unter dem Radar fliegen zu potenziell sehr niedrigen Preisen.

Das derzeitige Umfeld erhöhter globaler Unsicherheit macht diese wertorientierten Unternehmen nur noch attraktiver, da wachstumsorientierte Anlagen empfindlich auf höhere Zinsen reagieren. Unternehmen mit einem relativ geringen Risikoprofil, einem angemessenen Kurs-Gewinn-Verhältnis und vorhersehbaren Ertragsströmen passen vielleicht nicht in die traditionelle Vorstellung einer „dynamischen“ Schwellenländer-Investition, aber es gibt sie. Das Schöne an diesen langlebigen Unternehmen ist, dass sie im Laufe der Zeit erhebliche Renditen erwirtschaften können. Es ist unwahrscheinlich, dass sie in einem Jahr zu den besten Emerging Markets-Performern gehören, aber wenn man über einen Zeitraum von 5 oder 10 Jahren zurückblickt, insbesondere wenn die Unsicherheit/Volatilität der Märkte ein Merkmal war, wird die Wertschöpfung deutlich.

Mythos 3: Das Risiko von Fehlern, sei es durch Zentralbanken oder die Unternehmensführung, ist in den Schwellenländern größer

In vielen Schwellenländern wurden bedeutende Reformmaßnahmen durchgeführt, was bedeutet, dass die meisten nicht mehr nur ein paar Fehlentscheidungen von einer Krise entfernt sind. Detaillierte Recherchen sind von zentraler Bedeutung, um die Länder zu identifizieren, die sich wirklich für eine konsistente, marktfreundliche Politik einsetzen, und um diejenigen zu vermeiden, die sich in die falsche Richtung bewegen.

Auch auf der Unternehmensseite wurden große Fortschritte bei der Verbesserung der Unternehmensführung gemacht und eine stärkere Ausrichtung auf die Aktionäre. Während früher komplizierte Governance-Strukturen, unausgereifte Institutionen und ein ungeschultes Management die Unternehmenslandschaft in den Schwellenländern prägten, sind diese Merkmale heute eher die Ausnahme als die Regel. Selbst wenn sie auf den Schuldenmärkten der Schwellenländer auftreten, ist nicht mehr zu befürchten, dass diese Ereignisse ein systemisches Risiko für die gesamte Anlageklasse darstellen. In den letzten 25 Jahren haben sich solche Phasen als relativ kurzlebig erwiesen, so dass sich Gelegenheiten zum Einstieg in den Markt zu potenziell sehr niedrigen Bewertungsniveaus boten.

Mythos 4: Das Wachstumspotenzial der Schwellenländer wird in Zukunft gedämpfter sein

Das Wachstum der Schwellenländeranleihen als Anlageklasse in den letzten Jahren bedeutet, dass die Anleger Zugang zu einer viel breiteren und vielfältigeren Palette von Kreditmöglichkeiten haben, die sich auf Länder, Emittenten aus dem Finanz- und Nichtfinanzsektor und das gesamte Ratingspektrum erstrecken. Man ist sich zwar darüber im Klaren, dass die Unsicherheit an den Märkten und die uneinheitlichen globalen Wirtschaftsaussichten wichtige Einflüsse auf die allgemeinen Aussichten für die Schwellenländer sind, doch müssen diese gegen die Stärken der einzelnen nationalen Volkswirtschaften und die positiven langfristigen Trends abgewogen werden, die den langfristigen Optimismus in den Schwellenländern im Allgemeinen weiterhin unterstützen.

Ein Beispiel: Viele Schwellenländer verzeichnen weiterhin ein positives Wirtschaftswachstum mit Raten

weit vor denen der entwickelten Märkte. Dies ist ein Zeichen für aufstrebende Volkswirtschaften, die weniger abhängig von den Industrieländern sind, um zu gedeihen. Der Binnenhandel zwischen den aufstrebenden Volkswirtschaften hat inzwischen das Außenhandelsvolumen mit den Industrieländern übertroffen, während eine wachsende Mittelschicht in den aufstrebenden Volkswirtschaften die langfristige Binnennachfrage unterstützt.

Die Schwellenländer haben noch viel Spielraum, um ihre Produktivität zu verbessern und den Rückstand zu den Industrieländern aufzuholen. Große, junge und zunehmend gebildete Arbeitskräfte sind zusammen mit der zunehmenden Verbreitung von Technologien von zentraler Bedeutung, um diese Lücke zu schließen. Die Ausschöpfung dieses Potenzials wird jedoch zunehmend differenzierter, und es ist wichtiger denn je, ein gutes Gespür dafür zu haben, welche Länder erfolgreich sind und welche zu stagnieren drohen.

Mythos 5: ESG-Überlegungen bleiben deutlich hinter denen der Industrieländer zurück.

Die Emission nachhaltiger Anleihen in den Schwellenländern hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was auf die robuste Emissionstätigkeit einiger relativ neuer Teilnehmer zurückzuführen ist, darunter den Philippinen, Mexiko, Kolumbien und Chile. Dies ergänzt die prominente Emission in reiferen Märkten wie China. Zwar liegen die Schwellenländer immer noch weit hinter den Emissionen der fortgeschrittenen Volkswirtschaften zurück, doch ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, da die Staaten der Schwellenländer sich zunehmend um die Finanzierung ihrer nachhaltigen Entwicklungsziele bemühen.

Hervorzuheben sind auch die enormen Investitionen, die China in den letzten Jahren bei der Umstellung von fossilen Brennstoffen auf sauberere Energiequellen getätigt hat. China ist heute der weltweit größte Produzent von Wind- und Solarenergie und auch der größte inländische und ausländische Investor in erneuerbare Energien. Dieser Umbruch bringt den Ländern der Schwellenländer und den Unternehmen, die sich auf diese Umstellung einstellen, Vorteile und wirkt sich positiv auf die Sicherheit und Erschwinglichkeit von Energie in der gesamten Region aus.

5 Schwellenländer-Mythen

Foto von Chris Kushlis (Quelle: T. Rowe Price)

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