Straßburg (dts Nachrichtenagentur) – Der Europaabgeordnete Friedrich Pürner ist am Donnerstag aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ausgetreten. Das bestätigte Pürner der „Welt am Sonntag“.
Er erkenne „die Ziele und Visionen im Handeln vieler Mitglieder“ nicht wieder. „Wenn die Menschlichkeit und Meinungsfreiheit hintangestellt werden, möchte ich dieser Partei nicht mehr angehören“, sagte Pürner.
Der 57-jährige Arzt wurde als Leiter des Gesundheitsamts im bayrischen Aichach-Friedberg bekannt, wo er als Gegner der Corona-Maßnahmen im Herbst 2020 seinen Posten verlor. Im Juni 2021 veröffentlichte der von Medien als „Corona-Rebell“ bezeichnete Pürner das Buch „Diagnose Pan(ik)demie“. Im Januar 2024 wurde er auf die Wahlliste des BSW zur Europawahl gewählt und zog im Juni ins Europaparlament ein, wo er sich um die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen kümmern will.
Pürner sieht das BSW auf Abwegen. Zuletzt kritisierte er wiederholt den autoritären Parteiaufbau sowie die strenge Mitgliederaufnahme. „Ein Zirkel von Ex-Linken im Bundesvorstand manipuliert und schüchtert Kritiker ein“, sagte Pürner zu seinen Austrittsgründen. Diese „intriganten Personen“ setzten ihren Willen durch.
Parteichefin Sahra Wagenknecht hält Pürner indes nicht für das zentrale Problem, es gehe ihm vor allem um Wagenknechts Vertraute im Bundesvorstand. „Sahra ist eine blitzgescheite Frau, aber um sie herum hat sich ein gefährlicher Führungskult entwickelt“, so Pürner. „Diese Parteivertreter haben ihre eigenen Werte verraten.“
In einem Austrittsschreiben, das Pürner nach eigenen Angaben am Donnerstag an den BSW-Schatzmeister Ralph Suikat geschickt hat, beklagt er eine hierarchische Parteistruktur. „Sahra Wagenknecht ist die Partei leider entglitten. Andere haben die Fäden in der Hand und mit antidemokratischen Mitteln das BSW bereits in großen Teilen in eine Linke 2.0 verwandelt“, schreibt Pürner.
„Im Inneren des BSW herrscht eine Kultur des Misstrauens und der Überwachung. Ein autoritäres Verhalten hat sich breitgemacht“, heißt es im Brief, über den die „Welt am Sonntag“ berichtet. Entscheidungen der Funktionäre blieben intransparent. „Eine Gruppe von machttaktisch erfahrenen Personen hat das BSW bereits übernommen, sich Posten gesichert und die interne Macht an sich gerissen“, so Pürner.
Die Regierungsbeteiligungen in Thüringen und Brandenburg hätten viele Wähler enttäuscht. „Beide Koalitionen waren falsch. Besonders für eine Koalition in Thüringen hat man unsere Überzeugungen über Bord geworfen“, schreibt Pürner.
Der Europaabgeordnete war zuletzt in der Partei eher isoliert. Pürner trat für eine Corona-Aufarbeitung ein, forderte in diesem Zusammenhang auch immer wieder Gespräche mit der AfD. Dies sei schlicht demokratisch, so Pürner. Gerade aus dem Thüringer BSW kam deutlicher Widerspruch.
Foto: Friedrich Pürner (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
Foto/Quelle: dts