Die Spielregeln im Markt werden heute von den Konsumenten bestimmt. Eine Obsession für Kundenbelange ist somit ein Muss. Das Marketing der Zukunft orientiert sich deshalb an Touchpoints – und an der Customer Journey.
Touchpoints entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit einem Anbieter und seinen Mitarbeitern beziehungsweise seinen Produkten, Dienstleistungen, Plattformen und Marken in Berührung kommt. Online wie offline zeigt sich in solchen „Momenten der Wahrheit“, was die Versprechen eines Anbieters tatsächlich taugen.
Sie sind die Bewährungsproben einer Kundenbeziehung und richten über hopp oder topp. Begehrlichkeit, Immer-wieder-Kauflust, Aufpreisbereitschaft und positive Mundpropaganda gezielt auszulösen ist deshalb die beste Wahl. Entscheidend dabei ist, was an den einzelnen Touchpoints passiert. Hierzu muss man diese zunächst verstehen.
Wie man direkte und indirekte Touchpoints näher betrachtet
Es gibt hunderte von Touchpoints, also Interaktionspunkte, an denen ein Anbieter mit seinen Kunden in Berührung kommt. Vereinfacht lassen sich diese wie folgt gruppieren:
- Direkte Touchpoints, an denen die Mitarbeiter unmittelbar mit einem Kunden interagieren, wie etwa ein Verkäuferbesuch, die Hotline oder ein Ladengeschäft.
- Indirekte Touchpoints, bei denen ein Bindeglied zwischengeschaltet ist, wie etwa eine Website, der Online-Shop, ein Mailing, eine Rechnung, ein Paket.
Bei direkten Touchpoints spüren intuitionsbegabte Mitarbeiter meistens unmittelbar an der Reaktion eines Kunden, ob das, was dort passiert, enttäuschend, okay oder begeisternd ist. Beim indirekten Kontakt spürt man das nicht. Die große Gefahr: Man verheddert sich in standardisierten Prozessen, die für die Firma zwar praktisch, für die Kunden jedoch unvorteilhaft sind. Oder man geht von seiner Eigensicht aus.
Herausragende Customer Experiences werden aber nicht nur von den Mitarbeitern im direkten Kundenkontakt erzeugt. Sie betreffen jeden im Unternehmen. Denn ein Kunde nimmt das Unternehmen immer ganzheitlich wahr. Wenn nur ein einziger Mitarbeiter inkompetent patzt, war für den Kunden „dieser Saftladen“ schuld. Jedes Vorkommnis kann dabei Zünglein an der Waage sein. Somit ist eine den Kundeninteressen dienende interdisziplinär synchronisierte Zusammenarbeit heute ein Muss.
Jeder in der Leistungskette muss einen perfekten Job machen, denn alles hängt miteinander zusammen. Ein Einzelner kann mit noch so viel Tatkraft sein Bestes geben, wenn eine Entscheidung im Top-Gremium hängenbleibt, der Einkauf die notwendigen Teile zu besorgen vergisst, die Endkontrolle schlampt, die Logistik sich verzögert, eine falsche Rechnung verschickt wird und wenn man zu allem Übel mit „Wie waren wir“-Feedbackwünschen belästigt wird, dann wars das wohl. Der Kunde macht sich schleunigst von dannen – und im Web erzählt er allen, warum das so ist.
Human Touchpoints spielen eine erfolgsentscheidende Rolle
Je nach Unternehmensgröße und Branche kann das Gesamt der Touchpoints auch wie folgt unterteilt und gegliedert werden, um die einzelne Facetten einer Dienstleistung aus Kundensicht in den Fokus zu rücken:
- Human Touchpoints,
- Process Touchpoints,
- Product Touchpoints,
- Document Touchpoints,
- Location Touchpoints.
Zum Beispiel sind in einem Hotel die Mitarbeiter, mit denen man in Berührung kommt, Human Touchpoints. Prozesse wie der Ein- oder Auscheckvorgang sind Process Touchpoints. Die Zimmerausstattung ist ein Product Touchpoint. Das Informationsmaterial auf dem Zimmer oder die Speisekarte sind Document Touchpoints. Der Parkplatz oder die Wellnesszone sind Location Touchpoints.
Meist spielt der Human Touch die entscheidende Rolle. So kann es passieren, dass ein Kunde seiner Automarke treu verbunden bleibt, jedoch den angestammten Händler verlässt, weil sein langjähriger Betreuer in ein anderes Autohaus wechselt. Und weiter kann es passieren, dass die Loyalität, die der Verkäufer mühevoll aufgebaut hat, in wenigen Augenblicken durch einen miserablen Kundendienst vernichtet wird.
Bereits das zweite Auto “verkaufen” also die Service-Mitarbeiter. Wenn man sich allerdings in die Service-Bereiche der Händler begibt, ist davon wenig zu spüren. Manchmal verstecken sich diese sogar im Keller, und dort sieht es aus wie im Baumarkt. Besser ginge es über eine breite Treppe in den ersten Stock, um zu zeigen, wie wertvoll eine bestehende Kundenbeziehung ist.
EPOMS: die Phasen im Kaufprozess eines Kunden
Die infrage kommenden Touchpoints lassen sich auch entlang der Phasen im Kaufprozess eines Kunden gruppieren. Zunächst wird ein Interessent meist durch die Mundpropaganda Dritter beeinflusst. Erst danach kommt er auf unterschiedlichste Weise mit dem Anbieter selbst in Kontakt. Idealerweise wird er am Ende selbst zum Empfehler, indem er seine positiven Erfahrungen Online und Offline mit anderen teilt. Für diese Abfolge habe ich das Akronym EPOMS entwickelt:
- Earned Touchpoints, also solche, die man sich als Anbieter durch gute Arbeit verdient (Bewertungen, Presseberichte, Testergebnisse, Referenzen usw.),
- Paid Touchpoints, also solche, die ein Unternehmen sich kauft (Anzeigen, Banner, Adwords, TV- und Radiospots, Plakate, Handzettel usw.),
- Owned Touchpoints, also solche, die man besitzt (Website, Unternehmensblog, Kundenmagazin, Online-Shop, Firmengebäude, Ladengeschäft usw.),
- Managed Touchpoints, also solche, die man an Drittplätzen managed (Social Media, Regalfläche im Handel, externes Callcenter, Messestand usw.),
- Shared Touchpoints, also solche, die ein User mit anderen teilt (Stimmen Dritter im Web, Anbieter-Content, von Usern selbst generierter Content, usw.).
Die Paid und die Owned Touchpoints lassen sich relativ leicht „kontrollieren“. Bei den Managed Touchpoints hat die Kontrolle allerdings Grenzen, weil der Portal- oder Plattformbetreiber die dortigen Regeln diktiert. Unangekündigt kann er sie jederzeit ändern. Dies kann sehr viel Arbeit von heute auf morgen zunichtemachen. Zudem kann eine Plattform ruckzuck wieder von der Bildfläche verschwinden. Deshalb gehören Kernaktivitäten und kommunikative Kronjuwelen immer auch auf eigene Präsenzen.
Earned und Shared: von immer höherem Stellenwert
Die Meinungsmacht der Konsumenten ist so groß wie nie. Klassische Anbieterwerbung wird oft ignoriert oder im Web durch entsprechende Tools blockiert. Die Earned und die Shared Touchpoints haben enorm an Bedeutung gewonnen. Zudem ist das, was Dritte sagen, glaubwürdiger und damit auch wertvoller als das, was ein Anbieter selbst über sich sagt. Mundpropaganda findet vor allem in den nicht öffentlich sichtbaren Bereichen statt. So tappen die Anbieter sehr oft im Dunkeln. Denn „kontrollieren“ lässt sich das nicht. Man muss sich das dort Gesagte durch herausragende Leistung verdienen.
Über Gewöhnliches wird niemand berichten. Und Durchschnitt wird niemals empfohlen. Als empfehlender Kunde oder weiterverbreitender Fan steht man mit seinem guten Ruf für einen Anbieter ein. Deshalb spielen Superlative und Sympathie eine maßgebliche Rolle. Dabei gilt: Je emotionaler, desto viraler. Marketingressourcen müssen vor allem dorthin geleitet werden, wo das kostenfreie, freiwillige Influencing intensiviert werden kann. Exzellente Kundenerfahrungen sind hierfür ein Muss.
Um all das sicherzustellen, ist ein Customer Touchpoint Manager unentbehrlich. Seine Kernaufgabe ist es, an den externen Touchpoints des Unternehmens, also den Berührungspunkten zwischen Produkten, Services, Lösungen, Marken, Mitarbeitern, Plattformen und Kunden, eine Top-Performance sicherzustellen. Das nächste Ausbildungsprogramm findet vom 9. bis 11. September in München statt: https://www.anneschueller.de/ausbildung-touchpoint-manager.html
Das Buch zum Thema, Trainerbuch des Jahres
Anne M. Schüller
Touch.Point.Sieg.
Kommunikation in Zeiten der digitalen Transformation
Gabal Verlag 2016, 380 Seiten, gebunden, 29,90 Euro
ISBN: 978-3-86936-694-4
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