Wir erleben exponentielle Veränderungen. Unsere Zukunft wird immer unvorhersehbarer. Wir passen unsere Arbeitsweise und unsere Unternehmen an. Aber wo geht die Reise hin?
Die meisten Menschen sind durchaus bereit für den Wandel und neue Denkweisen. Zugleich haben sie aber das Gefühl, immer mehr die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren. Schwierige Umstände, unter denen man nicht nur die gewohnte Leistung halten, sondern neugierig, innovativ und kreativ sein sollte. Und das gilt für Macher:INNEN wie für Mitarbeiter:INNEN.
Unausgesprochen herrscht Einigkeit, dass unser Geschäftsleben den heutigen Herausforderungen nicht mehr gewachsen ist – und in Zukunft sogar destruktiv sein wird. Was also kann man als Einzelner und Unternehmen tun, um trotz der Herausforderungen nicht nur zu überleben, sondern zu gedeihen?
Nachfolgende Trends 2022 helfen dabei:
#1 Überlebensgroße Neugierde
Erinnern wir uns an große Entdeckungen, dann hat sich immer wieder gezeigt: Menschen, denen die Lösung eines Problems wirklich am Herzen liegt, ziehen keine voreiligen Schlüsse. Sie haben eine überlebensgroße Neugier. Sie stellen Fragen, treten Zweiflern entgegen, kämpfen mit Widerständen, bis sich enthüllt, was wirklich zählt. Als Vater von zwei Kindern im Alter von 2 und 3 Jahren weiß ich sehr genau, wie groß der Wissens- und Lerndrang ist. Auch für uns waren das früher Momente, in denen wir gelernt haben, Probleme am schnellsten zu lösen – und das spielerisch. Daher: Seien Sie wieder mehr Kind!
#2 Alles beginnt mit Vertrauen und Transparenz
Alle reden über Selbstorganisation und autonome Teams und welche Kriterien man als Einzelner oder im Unternehmen erfüllen muss, um wirklich agil zu werden. Aber womit fängt man an? Die Basis jeder agilen Organisation sind ‘Vertrauen und Transparenz‘. Unternehmen brauchen sich nicht die Mühe machen, mit den technischen Details von Rollen, Prozessen oder Regeln für ein selbstorganisiertes Umfeld zu beginnen, wenn Führungskräfte und Chefs nicht selbst bereit dazu sind, radikal transparent zu sein und ihren Mitarbeitern sowie auch sich gegenseitig zu vertrauen.
#3 Einen sicheren Raum schaffen
Freiheit, so sehr wir uns danach sehnen, kann den Druck und die Angst erhöhen. Weil wir uns entscheiden müssen und die Gefahr eines Fehlers besteht. Vergessen Unternehmen einen sicheren Raum für ihre Mitarbeiter zu schaffen, ist Selbstorganisation das Schlimmste, was man Menschen antun kann. Und das größte Risiko auf dem Weg zur Agilität. Denn mit der Selbstorganisation kommt auch die Verantwortung. Mitarbeiter aus hierarchischen Strukturen werden dies nicht als befreiend empfinden – ganz im Gegenteil! Es braucht also einen Ort, an dem es o.k. ist, um Rat zu fragen und keine Angst haben zu müssen, beurteilt zu werden. So entsteht Vertrauen!
#4 Kreise sind nicht beweglicher als Pyramiden!
Um agil zu werden stehen Netzwerk-Organisationen hoch im Kurs. Aus pyramidenförmigen Strukturen werden holokratische Kreise. Aber hilft das wirklich dabei, agiler zu werden? Die Entwicklung neuer Verhaltensweisen sowie das Verlernen alter Muster – das ist es, was wir in einer Transformation wollen. Aber Menschen sind anpassungsfähig. Deshalb gilt es, drei Dimensionen zu beachten: 1. Die kontinuierliche Weiterbildung in agilen Methoden und Tools. 2. Die Investitionen in Denkweisen und Fähigkeiten der Mitarbeiter. 3. Die Entwicklung der richtigen Organisationsstruktur. Das Ziel lautet: Manövrierfähigkeit in einer komplexen und teilweise chaotischen Welt.
#5 Purpose macht Sinn
In Zukunft wird neben dem Wachstum vor allem ein Punkt immer wichtiger: Purpose! Es ist der Sinn und Zweck, der Menschen überzeugt, der Kunden kaufen lässt. Mitarbeiter, die wissen, WARUM sie etwas tun, sind stärkste Markenbotschafter – für Produkte ebenso wie für das ganze Unternehmen. Glauben Mitarbeiter daran, dass ihre Arbeit wichtig ist und ihr Tun einen Unterschied in der Welt macht, schafft der Purpose eine tiefe Inspiration, weckt Stolz, fördert die Kreativität und verankert die Mitarbeiter.
#6 Teal – das zukünftige Organisationsmodell
Die meisten Unternehmen streben nach Innovation, brechen aber keine Organisationsmuster. Spannend dazu die Ergebnisse von Frédéric Laloux im Buch „Reinventing Organizations“: Alle erfolgreichen Pionier-Unternehmen ignorierten das, was sie bzgl. Hierarchien, Bürokratie und Machtstrukturen gelernt hatten. Sie suchten nach etwas Mächtigerem. Unterschiedlich in Branche, Größe und Standort, haben die Unternehmen doch gleiche Durchbrüche erzielt: 1. Selbstführung. Keine Hierarchieebenen und verteilte Autorität. 2. Ganzheitlichkeit. Es wird enorme Energie und Kreativität freigesetzt, wenn jeder er selbst sein kann. 3. Evolutionärer Sinn. Das Unternehmen wird als lebendiger Organismus betrachtet, dem die Mitarbeiter zuhören und folgen. Das mag idealistisch und anarchistisch klingen, vielleicht sogar esoterisch. Ist es aber nicht! Es ist die Antwort auf Unternehmensprobleme wie fehlende Mitarbeiterbegeisterung, schlechte Entscheidungsfindung und mangelnde Innovation.
Autor
Timm Urschinger ist Mitgründer und CEO von LIVEsciences. Nach Jahren bei einem Pharma-Konzern in der Schweiz und im Consulting beschloss er ein Unternehmen zu gründen. Seine Erfahrung im Management globaler Programme und Transformation hat in ihm die Leidenschaft geweckt, pragmatische und innovative Lösungen zu entwickeln, für das eigene Unternehmen und Kunden. Neue Organisationsmodelle wie Teal spielen dabei eine große Rolle
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder