Ständige Anspannung, Vergesslichkeit, Ängste und schlechter Schlaf – Das sind nur einige der Auswirkungen, die ein Trauma auf einen betroffenen Menschen haben kann. Wer sich mit Traumata einmal auseinandergesetzt hat, wird schnell im Familien- und Bekanntenkreis oder Arbeitsumfeld Personen mit Traumaerfahrung wiedererkennen.
Doch nicht jeder Betroffene erkennt sein Trauma, begibt sich auf den Weg der Heilung und kann mit der Zeit ein selbstbestimmtes, freies Leben führen. Hierbei ist entscheidend, dass Betroffene sich selbst für eine Begleitung entscheiden und die Bereitschaft aufbringen, Veränderungen zu erzielen, damit ihnen geholfen werden kann.
Gabriella Rist ist psychologische Beraterin für traumasensitives Coaching und erklärt in einem Gastbeitrag, warum der Weg zu einem selbstbestimmenden Leben unter einem Trauma sehr lange sein kann und warum insbesondere Traumata aus der Kindheit oft unbewusst bleiben.
Woher kommen Traumata?
Wer an Traumata denkt, dem fallen meist Personen ein, die Katastrophen oder schwere Krisenfälle erlebt haben. Per Definition bedeutet das Wort Trauma “Wunde” und beschreibt das Vorliegen einer psychischen oder körperlichen Ausnahmesituation. Bei seelischem Trauma wurde diese durch kurz oder langanhaltende Ereignisse oder Situationen von außergewöhnlicher Bedrohung ohne eine Fluchtmöglichkeit ausgelöst. Hierbei wird zwischen Schocktrauma, Bindungstrauma, Entwicklungstrauma, Komplextrauma, Sekundärtrauma und transgenerationales Trauma unterschieden.
Die Folgen von Traumata
Das wichtigste Merkmal traumatisierter Menschen liegt im plötzlichen Übergang vom Reiz zur tiefsitzenden Reaktion. Von einem Moment zum anderen kann der Betroffene nicht mehr über Realität und das Trauma aus der Vergangenheit unterscheiden und oft bleibt ihm der Übergang unbewusst. Im Erleben findet die traumatisierende Erfahrung auf diese Weise wiederkehrend statt. Je nach Schwere des Traumas genügen mitunter bereits niederschwellige Reize wie ein Geruch, um sofort heftigste Emotionen und Handlungen bei Betroffenen auszulösen.
Häufige negativ besetzte Empfindungen sind dabei Wut, Aggression – zum Teil sich selbst gegenüber -, Angst, Verzweiflung, sog. “Flashbacks” oder Ohnmacht. Nicht selten quälen Betroffenen starke Schmerzen und Albträume, welche sogar noch nach Jahren und Jahrzehnten auftreten können.
Umgangsformen von Betroffenen mit Traumata
Zu den klassischen Fällen von Menschen, die unter Traumata leiden, gehört jegliche Vermeidung von Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wecken. Damit wollen Betroffene die Kontrolle über das Auftreten von zum Beispiel intrusiven Gedanken wie Flashbacks oder Albträume, heftigen Schmerzen sowie dissoziativen Zuständen erlangen. Aufgrund dieser Form des Alltagsmanagements der unter Traumata Leidenden stehen die Physis und Psyche unter dauerhaftem Stress. Treten neue Krisen auf, die im Alltag eines Nichtbetroffenen bewältigt werden können, verschärfen sich diese bei Betroffenen immens.
Nicht selten werden sich selbst “Amnesien” produziert, an welche sich im Nachhinein Betroffene nicht mehr erinnern. Viele Traumatisierte üben Jahrzehnte lang normal einen Beruf aus, ehe ein völliger Zusammenbruch eintritt.
Trauma erkennen und in Selbstfürsorge gehen
Dieser Schritt gehört zu den wichtigsten, wenn man als Betroffener irgendwann am realen Leben authentisch teilnehmen möchte. Je nach Trauma kommt es auf individuelle entsprechende Behandlung an. Wird der zum Betroffenen passende Weg und Begleiter gefunden, beginnt die Stabilisierung und somit die Heilung und Stärkung der Resilienz.
Entgegen der Vermutung einiger Betroffener hat die Akzeptanz des Traumas nichts mit dem Abstumpfen des Erlebten zu tun. Es geht um das Annehmen und Akzeptieren der eigenen Geschichte. Traumata sind heutzutage auf dem besten Weg, kein Tabuthema der Gesellschaft mehr zu sein, sondern der Grund für das berechtigte Verhalten und die Lebenswege des Betroffenen.
Sein eigenes Leben erleben und sich lieben lernen
Niemand kann das eigene Trauma oder eine persönliche Krise von einem anderen lösen lassen. Um diesen Weg zu gehen, bedarf es der Beschäftigung mit der implementierten Vermeidungsstrategie. Dies ist für einen gewissen Zeitraum hilfreich, schneidet auf Dauer aber essenzielle Lebensbereiche Betroffener ab. Die Vorgehensweise führt schnell und dauerhaft zur aktiven Abwendung vom gesellschaftlichen Leben und hat die Verkleinerung der eigenen Welt und Gefühle zur Folge.
Aufgrund von Dissoziationen und lange zurückliegenden unbehandelten Traumata erinnert sich eine Vielzahl der Betroffenen nicht, wie es ist, alle typischen Lebensbereiche oder sein eigenes Leben mit dem echten Lebensgefühl von Lebendigkeit zu füllen.
Traumasensitives Coaching: Schritt für Schritt zu mehr Lebensqualität
Je nach Verarbeitung des Traumas greifen die Hilfsverfahren nicht für immer und müssen dem Verarbeitungsstand und dem gegenwärtigen Bedarf des Betroffenen entsprechen. Neben Traumaexposition, Selbsthilfegruppen, Psychotherapie oder Hilfsorganisationen gibt es auch die Möglichkeit, traumasensitives Coaching in Anspruch zu nehmen. Da jedes Trauma und jede Krise so einzigartig wie die Lebenswege jedes Einzelnen sind, ist es wichtig, dass Betroffene ihren Fahrplan zur Heilung oder Genesung individuell gestalten können.
Traumasensitives Coaching verwendet einen einmaligen ganzheitlichen Ansatz. So wird in der Behandlung sowohl auf die Psyche als auch auf den Körper und Bewusstsein eingegangen. Traumasensitive Achtsamkeit, traumasensitives Yoga als körpertherapeutische Intervention, Kunsttherapie und Imagination, Naturtherapie und ebenfalls Neuropsychologie kommen hier zum Einsatz. So kann die Genesung von insbesondere frühkindlicher Traumata nachhaltig und wirksam begleitet werden.
Fazit:
Die Auswirkung von Traumata auf das tägliche Leben schränkt Betroffene in ihrem Handeln und ihrer Lebensqualität sehr ein. Nur wenn eine traumatisierte Person gewillt ist, Veränderungen herbeizuführen, kann ihr geholfen werden. Hierfür stehen neben Traumaexposition, Selbsthilfegruppen, Psychotherapie oder verschiedenen Hilfsorganisationen auch das traumasensitiven Coaching zur Verfügung, welches einen ganzheitlichen Ansatz darstellt. Wichtig ist in jedem Fall anzuerkennen, dass ein Trauma vorhanden ist und dieses zu akzeptieren.
Autor
Frau Gabriella Rist ist psychologische Beraterin und Expertin für das Kernthema „Traumasensitives Coaching“. Sie hat sich bundesweit unter anderem damit einen Namen gemacht mit ihrem Coaching einfühlsam und ganzheitlich auf die individuellen Bedürfnisse von Betroffenen einzugehen. Dabei stehen ebenso kleine bis riesige Entwicklungen gleichberechtigt im Mittelpunkt ihrer Trauma-Arbeit.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder