Neues GKV-Finanzstabilisierungsgesetz – Warum die Reform Hindernis für das psychische Volksleiden ist
Gesundheit ist nicht nur ein körperlicher Aspekt, sondern betrifft auch den Geist. Die anhaltende Belastung durch die Covid19-Pandemie sowie der alltägliche Stress und die stetig wachsenden Ansprüche an die Anpassungsfähigkeiten von Berufstätigen, hinterlassen ihre Spuren. Der Krankenstand hat aktuell seinen absoluten Höchstwert seit über 40 Jahren erreicht. Vor allem psychische Erkrankungen werden immer noch nicht ernst genommen und sind nach wie vor ein Tabuthema in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz.
Aktuell verursachen seelische Erkrankungen durchschnittlich 276 Ausfalltage je 100 Versicherte. 276 Tage von denen ein Großteil vermieden werden könnte, findet der Social-Fitness-App Gründer Alexander Kuttig. Vor allem das kürzlich erlassene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sei hinderlich für die Prävention von psychischem Leiden. Was muss zukünftig getan werden, um für ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben zu sorgen? Und was erwartet die deutschen Steuerzahler in Zukunft?
Die Wechselwirkung zwischen Körper und Geist ist keine Einbahnstraße. So wie psychologische Faktoren dazu beitragen können, dass körperliche Erkrankungen ausbrechen oder sich verschlimmern, können auch physische Gesundheitsprobleme die Stimmung und das Denken eines Menschen beeinflussen. Oft äußern sich Beschwerden von Betroffenen zuerst am Arbeitsplatz und es wird bemerkt, dass das eigene Arbeitspensum nicht mehr so erbracht werden kann, wie vielleicht zuvor. Konzentrationsschwierigkeiten, Atemnot, Panikattacken und andere Angst- und Anpassungsstörungen stellen sich mit der Zeit ein.
Auch die von Experten sogenannte „Entgrenzung“ am Arbeitsplatz, begünstigt eine chronische Überforderung im Berufsalltag. Job und Privatleben verschmelzen auf ungesunde Weise immer mehr miteinander und plötzlich ist das eigene Limit überschritten. Die Folge: eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Laut DAK Gesundheitsreport liegt das Niveau von Arbeitsausfall durch psychische Erkrankungen um 41 Prozent höher, als noch vor zehn Jahren. Sportprogramme und Erholungsangebote zur Linderung und Prävention von psychischen Störungen von Unternehmen werden mehr und mehr eingeführt. Während einige wenige Angestellte bereits von diesen Angeboten profitieren dürfen, bemängeln viele Berufstätige die Fürsorge durch Bund und Länder, die sich dieser Thematik scheinbar nur halbherzig annehmen wollen.
GKV fehlen weiterhin finanzielle Mittel
Die Belastungseffekte durch das kürzlich erlassene Gesetz sind extrem ungerecht verteilt. Zudem wird das Gesetz nicht weit tragen. Nach dem kurzfristigen Einmaleffekt im kommenden Jahr, wird sich der finanzielle Zustand der GKV in den darauffolgenden Jahren sogar noch weiter verschlechtern. Es kann kritisiert werden, dass das Gesetz das Problem der „strukturellen Unterdeckung“ ungelöst lasse, denn die Ausgaben der Krankenkassen stiegen schneller als die Einnahmen.Ohne verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Praxen werde die allgemeine medizinische Versorgung der Menschen in Deutschland gefährdet.
Bereits in der Vergangenheit drohten „politisch herbeigeführte Leistungskürzungen“ und angesichts der endlosen Abfolge von Gängelungen und Beschneidungen, ist das Maß nun voll: Alle werden immer älter, immer mehr Krankheiten können behandelt werden, aber gleichzeitig gibt es immer weniger Einzahler. Es fehlen die finanziellen Mittel in gesetzlichen Krankenkassen. Durch diesen politischen Unsinn werden nur Löcher in einem sinkenden Boot gestopft, anstatt nachhaltig Dinge bewegt. Um langfristig für eine optimale Fürsorge der BürgerInnen zu sorgen, kommen zwei Möglichkeiten in Frage.
Zum einen gibt es die Variante, in der alle Steuerzahler verpflichtet werden mehr einzuzahlen. Die Politik wagt sich nicht an diese Aufgabe heran, weil die Sachlage zu heikel erscheint und Wählerstimmen auf dem Spiel stehen könnten. So liegt es an den einzelnen Bürgern, freiwillig mehr zu leisten, um kurz- und langfristig profitieren zu können. Angesichts der Inflation und Rezession, erscheint die erste Variante jedoch als unrealistisch. Eine zweite Version könnet so aussehen, dass man auf wissenschaftliche Weise die Kosten senkt: Eine Investition im Bereich Prävention und Förderung von Bewegung und Mindfulness könnte zu einer signifikanten Entlastung des Gesundheitssystems beitragen, aber hier passiert einfach viel zu wenig.
Private Krankenkassen als Beispiel voran
Bund und Länder sollen Firmen finanziell mehr unter die Arme greifen und mehr in Sport- sowie Erholungsangebote in Unternehmen investieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass beispielsweise Angestellte körperlich und geistig so aufgestellt sind, dass Ausfalltage drastisch minimiert werden. Angesichts der Gesundheitsausgaben von 5298 Euro je Einwohner und den gegenübergestellten Pflichtausgaben für Prävention, in Höhe von 7,52 Euro, ein absoluter Witz und ein beinahe unmögliches Unterfangen. Mithilfe der Pflichtausgaben sollen die knapp acht Euro unter anderem dabei hilfreich sein, Diabetes-Erkrankte früh zu erkennen und zu behandeln.
Auch die Mortalität bei Brustkrebs soll vermindert und die Lebensqualität erhöht werden. Es soll auch dafür gesorgt werden, dass die Souveränität der PatientInnen gestärkt wird, depressive Erkrankungen verhindert oder nachhaltig behandelt werden und die Lebenskompetenz der BürgerInnen mit mehr Bewegung und gesunder Ernährung, gesteigert wird. Zum Vergleich: private Krankenkassen (PKV) geben über drei Mal mehr für die Prävention aus. Im Vergleich zu den GKV haben die PKV längst erkannt, dass es notwendig und wirtschaftlich absolut sinnvoll ist, in die Vorbeugung zu investieren.
Zahlen der WHO sprechen für sich
Während sich Angestellte früher im Wesentlichen auf die Anweisungen ihrer Führungskräfte verlassen konnten, müssen ArbeitnehmerInnen heute mehr Eigenverantwortung und Selbstmanagement-Fähigkeiten aufbringen. Mit der Digitalisierung wird außerdem vorausgesetzt, dass sich Mitarbeitende schnellstmöglich neues Know-how aneignen. Das Engagement zum lebenslangen Lernen wird hier tragend. Ferner verlassen immer mehr Fachkräfte für die richtigen Konditionen einheimische ArbeitgeberInnen und wandern aus.
Gleichzeitig frisiert der demografische Wandel die Altersstruktur der Gesellschaft. Die Abnahme der Erwerbsbevölkerung in Verbindung mit der steigenden Lebenserwartung hat unweigerlich eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur Folge. Hinzu kommt, dass Berufstätige sich zu der Belastung durch den Job, nach wie vor zu wenig bewegen. Laut WHO Empfehlung, erreichen 42 Prozent der Deutschen die moderate Aktivität von 150 Minuten pro Woche nicht.
Interne Auswertungen von unserer Social-Fitness-App haben ergeben, dass sich Mitarbeiter mithilfe der angebotenen Challenges deutlich über 45 Minuten pro Tag sportlich betätigen. Das entspricht einer Verdoppelung der WHO Empfehlung. Bereits eine Einhaltung der WHO Empfehlung sorge für 30 Prozent weniger Krebs- und Sterberisiko, bis zu 33 Prozent geringeres Risiko Kardio-Vaskulärer Krankheiten und die Gefahr an Diabetes Mellitus Typ 2 zu leiden wird um 42 Prozent gesenkt.
Präventiv kann auch gegen Osteoporose und Depressionen vorgegangen werden. Zudem konnte man feststellen, dass durch regelmäßige Bewegung und Achtsamkeits- sowie Atemübungen 50 Prozent weniger Fehltage das Ergebnis waren. Es gibt zahlreiche Angebote und Lösungsansätze im Bereich der Prävention, die nachweislich für eine langfristige finanzielle Entspannung der Krankenkassen sorgen könnten, doch anstatt diese effektiv zu fördern steckt die Politik Jahr für Jahr mehrere Milliarden Euro Steuergelder in ein kaputtes System.
Mehr Awareness und Mindfullness schaffen
Die internen Auswertungen von über 300.000 Nutzern zeigen ganz klar einen Trend – der Wunsch nach Sport- und Erholungsangeboten steigt. So kommen vor allem die kürzlich hinzugefügten Übungen zur mentalen Genesung besonders gut bei Angestellten an – die Resonanz ist überwältigend. Denn Mindfulness und Awareness sind ein Teil einer neuen Arbeitskultur, in der der Mensch wieder mehr im Vordergrund steht. Dazu gehört auch, dass Unternehmen die Angestellten dabei unterstützen auf sich selbst zu achten.
Aufgrund der fehlenden Expertise der meisten ArbeitgeberInnen, empfehlen sich Anwendungen auf wissenschaftlicher Basis. Diese sind ein hilfreiches Tool, um das fehlende Fachwissen auszugleichen. Social-Fitness-Apps sind zwar ein überaus nützlicher Helfer im Alltag, lösen allerdings nicht alle Probleme. Besonders die Kombination aus körperlichen und mentalen Übungen, d.h. Sport und Achtsamkeit seien der Schlüssel zu langfristig erfolgreicher Stressbewältigung und Prävention.
Autor:
Alexander Kuttig ist Gründer der Social-Fitness-App Teamfit. Das Münchner Start-up bietet Unternehmen mjt seiner App ein motivierendes Sport- und Gesundheitsangebot, um Beschäftigte fit zu machen und den Teamgeist zu stärken. https://www.teamfit.eu/de/
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