Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Hans-Peter Bartels, kritisiert die zögerliche Umsetzung der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen „Zeitenwende“ und fordert die Bundesregierung auf, Verteidigungspolitik zu ihrer Priorität zu erklären. „Klimaschutz, Genderfragen und Sozialpolitik sind zweifellos bedeutende Themen, aber in dieser gefährlichen Zeit gehören sie nicht an die erste Stelle“, sagte Bartels der „Welt“.
„Absolute Priorität müssen aktuell Sicherheit und Verteidigung haben. Zugespitzt formuliert: Auch Nachhaltigkeit muss bewaffnet sein, ohne Sicherheit ist alles nichts.“ Die Rede von Kanzler Scholz zur „Zeitenwende“ sei genau richtig gewesen, so der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags. „Aber danach sind wir wieder in der alten Berliner Normalität versunken, im Klein-klein der Spiegelstriche des Koalitionsvertrages – als ob immer noch alles gleich wichtig wäre.“
Deutschland sei weit davon entfernt, die Bundeswehr, wie von Scholz versprochen, „zur schlagkräftigsten Streitmacht in Europa zu machen“. So sei die Zusage an die Nato, ab 2025 eine einsatzbereite Division zur Verfügung zu stellen, nicht mehr realistisch. Die Division mit rund 15.000 Soldaten werde materiell nicht „zu 100 Prozent aufgefüllt“ sein. Deutschland habe „nicht Jahrzehnte Zeit, an der Wiederbewaffnung herumzubasteln“, sagte Bartels: „Jetzt heißt es, fertig zu werden.“
Dazu müsse der Bundestag in den laufenden Haushaltsberatungen den Etatentwurf der Regierung korrigieren. „Der Deutsche Bundestag sollte mit dem Wahnsinn eines von der Regierung dauerhaft eingefrorenen Verteidigungshaushalts Schluss machen“, sagte Bartels. „Natürlich muss der reguläre Etat steigen. Sonst wird das gut gemeinte 100-Milliarden-Sondervermögen schon von der Inflation der laufenden Betriebskosten kannibalisiert.“
Außerdem müsse Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine Truppenreform auf den Weg bringen. „Und das heißt, die überfälligen, längst vorbereiteten Reform-Entscheidungen jetzt endlich zu treffen“, so Bartels. „Die Marschrichtung ist klar: mehr Truppe, weniger Stäbe. Das ist es, was die Soldaten von der Politik erwarten können, wir haben eine überbordende Kommandolandschaft, statt ehemals drei Teilstreitkräften inzwischen sechs militärische Organisationsbereiche mit einer Vielzahl von zusätzlichen Behörden, die sich gegenseitig Arbeit machen, die Verantwortungsdiffusion ist absurd.“
Versuche, die aktuelle Lage schönzureden, seien „Selbstbetrug. Besser wäre, die Dinge endlich zum Laufen zu bringen.“
Foto: Bundeswehr-Soldaten (Archiv), über dts Nachrichtenagentur
Foto/Quelle: dts