Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Beitrag von Kindern und Jugendlichen bei der Eindämmung der Corona-Pandemie hervorgehoben.
Man müsse vielen gesellschaftlichen Gruppen danken, sagte Steinmeier dem „Stern“. „Und wenn es Menschen gibt, denen wir nicht nur danken, sondern sie um Verzeihung bitten sollten, dann sind es die ganz Jungen.“ Kinder und Jugendliche hätten „aus Rücksicht auf Ältere auf viel verzichten müssen. Sie haben sich oft nicht gesehen gefühlt“, sagte der Bundespräsident fünf Jahre nach den ersten Corona-Infektionsfällen in Deutschland.
„Wir haben Kinder und Jugendliche zum Schutz ihrer und der Gesundheit anderer nicht nur vom Unterricht ferngehalten. Wir haben ihnen für Wochen Freunde, Bewegung, ihr soziales Umfeld genommen. Darunter haben sie gelitten, manche haben langwirkende psychologische Schäden davongetragen.“ Kritisch äußerte sich Steinmeier auch zu den Schulschließungen, wollte sie aber für den Fall einer neuen Pandemie nicht ausschließen. „Schulschließungen müssen für die Zukunft Ultima Ratio bleiben.“
Weiter drängt Steinmeier auf eine zügige Aufarbeitung der Pandemie nach der Bundestagswahl und kündigt an, ansonsten eine eigene Kommission zu berufen. „Die Pandemie hat tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen, die unübersehbar sind“, sagte Steinmeier. „Es sind Narben geblieben, die schmerzen.“ Der wichtigste Beitrag zur Rückschau auf die Pandemie sei ihre Aufarbeitung, so der Bundespräsident weiter. „Wir werden uns nach den Neuwahlen sehr schnell auf das „Wie“ der Aufarbeitung verständigen müssen. Es eilt. Nach meinem Eindruck ist die Erwartung in der Öffentlichkeit groß.“
Steinmeier kündigte an, notfalls alleine tätig zu werden. „Wenn eine neue Regierung und ein neuer Bundestag sich dieser Aufgabe tatsächlich nicht widmen sollten, werde ich das tun.“ Es gehe ihm nicht um eine „vordergründige Suche nach Schuldigen“, sagte der Bundespräsident. „Wir müssen uns selbst gegenüber Rechenschaft ablegen, was gut lief, was weniger gut lief, was geschadet hat. In unser aller Interesse Transparenz herstellen. Darum geht es.“
Regierung und Opposition, aber auch die Ampel-Koalition untereinander hatten sich in den vergangenen Monaten nicht auf eine institutionelle Aufarbeitung der Pandemie und ihrer Folgen einigen können. Diskutiert wurde über einen Untersuchungsausschuss, eine Enquete-Kommission, aber auch über Bürgerräte. Steinmeier zeigte Unverständnis, dass keine Verständigung zustande gekommen ist. „In der Aufarbeitung der Pandemie liegt eine riesige Chance. Es ist ein Vorteil für die Demokratie, Transparenz herzustellen.“ Aufarbeitung könne die Chance bieten, Menschen zurückzugewinnen, die ihr Vertrauen in die Demokratie verloren hätten oder zumindest daran zweifelten. „Wenn wir nicht aufarbeiten, dann bleibt das Verdrängte. Was aber viel gefährlicher ist: Das Verschwiegene kreiert Verdacht. Und das ist etwas, womit Populisten gerne hantieren.“
Steinmeier selbst hat in einer Quarantäne während der Corona-Pandemie jeden direkten Kontakt mit seiner Frau vermieden. „In der Quarantäne habe ich mich mit ein paar Büchern und einem Laptop in die Dachkammer zurückgezogen und auf einer Luftmatratze campiert“, erinnert sich das Staatsoberhaupt. „Meine Frau und ich sind uns im Haus aus dem Weg gegangen, um mögliche Gefahren für ihre Gesundheit zu vermeiden“, so der Bundespräsident. „Das war schon eine Zeit, die in Erinnerung bleibt.“
Steinmeier hatte seiner Frau Elke Büdenbender 2010 eine Niere gespendet. Transplantationspatienten sind wegen einer abgesenkten Immunität bei Infektionskrankheiten besonders gefährdet. Einer der Sicherheitsbeamten des Staatsoberhauptes hatte sich Anfang März 2020 infiziert. Steinmeier war mit ihm im selben Auto aus Zwickau nach Berlin zurückgefahren und musste nach den damals geltenden Regeln anschließend in Quarantäne.
Während der Quarantäne las Steinmeier unter anderem das Buch „1918. Die Welt im Fieber“ von Laura Spinney. „Das beschäftigt einen schon, wenn man in der Phase einer anschwellenden Pandemie erinnert wird, dass die sogenannte Spanische Grippe 1918 in nur vier Monaten mehr Opfer gefordert hat als der Erste Weltkrieg in vier Jahren“, sagte Steinmeier.
Foto: Corona-Hinweis an einer Schule (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
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