Prominente Frauen übernehmen das Frauenteam des FC Viktoria 1889 Berlin und wollen damit die deutsche Sportwelt nachhaltig verändern
- Mehr Gleichberechtigung und Fairness nicht nur in den deutschen Fußball, sondern in den Sport zu bringen – das ist die Mission eines prominenten Zusammenschlusses rund um die ehemalige deutsche Fußballnationalspielerin und zweimalige Weltmeisterin Ariane Hingst.
- Zum Gründungsteam gehören neben Hingst sportliche und wirtschaftliche Größen wie die Unternehmerin und Investorin Verena Pausder, die Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wärme Berlin AG Tanja Wielgoß, die ehemalige Fernsehmoderatorin und (Sport-)Journalistin Felicia Mutterer, die Mitgründerin und Geschäftsführerin von BRLO Craft Beer Katharina Kurz und die Brand- und Marketingexpertin Lisa Währer.
- Gemeinsam wollen sie ihr eigenes Fußballteam innerhalb von fünf Jahren in die erste Bundesliga der Frauen führen und so für mehr Sichtbarkeit, gleiche Bezahlung und Anerkennung von Frauen im Sport sorgen.
2020 rüttelte die Nachricht von der Gründung des Fußballklubs Angel City FC durch Natalie Portman in den USA den internationalen Sport auf – die Schauspielerin und ihre Mitgründerinnen machten mit ihrem Einstieg ins Fußballgeschäft darauf aufmerksam, dass die US-Fußballerinnen weltweit erfolgreich sind und trotzdem um ein Vielfaches weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.
Ein Missverhältnis, was auch den deutschen Sport betrifft. Die Ungleichheit bei der Bezahlung sei allerdings nur ein Faktor. Sie fange schon früher, etwa mit der mangelnden Sichtbarkeit von Sportlerinnen an, erklärt die ehemalige Fernsehmoderatorin und (Sport-)Journalistin Felicia Mutterer. Die Geschäftsführerin von BRLO Craft Beer Katharina Kurz ergänzt: „Oder wer denkt bei der Sporthauptstadt Berlin an Frauenteams?“
Die Inspiration aus dem Ausland gepaart mit einem Verdruss über die lokale Unsichtbarkeit von Frauen im und einer großen Passion für Sport führte Mutterer und Kurz im Sommer 2020 zu dem Entschluss, ein solches Female Movement für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Sport mit einem eigenen Fußballteam auf dem Platz auch in Deutschland zu starten. Eine Idee, die mit starken Mitgründerinnen in die Realität umgesetzt werden soll:
Gemeinsam mit prominenten Persönlichkeiten aus Sport und Wirtschaft wie Ariane Hingst, ehemalige deutsche Nationalspielerin und zweimalige Weltmeisterin, Verena Pausder, Unternehmerin und Investorin, Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende derVattenfall Wärme Berlin AG, und Lisa Währer, Brand- und Marketing-Expertin u. a. für OneFootball haben sie in enger Abstimmung und Verbundenheit mit dem FC Viktoria 1889 Berlin dessen Regionalliga-Team der Frauen übernommen. Ihr Ziel ist es, mit eigener Betreiberinnengesellschaft das Team innerhalb von fünf Jahren in die erste Bundesliga der Frauen zu führen. Ihre Vision: Nicht nur den Fußball, sondern auch den Sport in Deutschland nachhaltig zu verändern.
Neben ihrem Engagement für eine gerechte Bezahlung von Sportlerinnen setzen sich sie sich vor allem für Folgendes ein:
Bessere strukturelle Bedingungen für Mädchen und Frauen im Fußball – das reicht von der Platzvergabe bis hin zur Vereinbarkeit von Leistungssport und Ausbildung und Beruf.
Frauenfußball sichtbarer zu machen – die Gründerinnen brechen mit Zuschreibungen und stehen für neue Rollenbilder und Narrative für den weiblichen Fußballnachwuchs.
Fußball wieder zu einem Volkssport zu machen, der für alle da ist – Männer und Frauen.
„Wir wollen nicht länger nur reden oder darauf warten, dass Frauen sich ihren Platz im Fußball erobern. Wir wollen selbst die Beschleunigerinnen für Fairplay im Sport sein“, erklärt Gründungsmitglied Tanja Wielgoß, die als Mutter einer fußballspielenden Tochter um die erschwerten Bedingungen von Mädchen und Frauen im Fußball weiß.
Die Ursachen für die Ungleichbehandlung von Frauen im Fußball sind vielfältig: angefangen bei deutlich weniger Medienpräsenz über die geringeren Gehälter von Sportlerinnen bis hin zu dürftigen Sponsoringeinnahmen. Insgesamt fließen laut Statista weltweit nur ca. sieben Prozent der Sponsorengelder in den Sport mit Frauen.
So viel Potenzial steckt im Frauenfußball
Die Gründerinnen investieren nicht nur aus idealistischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen in den Fußball mit Frauen: Laut der Frauenfußball-Strategie der UEFA hat dieser das größte Wachstumspotenzial im Fußballmarkt. So hat sich die Anzahl der Frauen- und Mädchenteams im Fußball in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Die jüngsteWomen’s Champions League Saison brach mit 91.533 Zuschauer:innen im Camp Nou den Weltrekord. International investieren große Unternehmen wie die britische GroßbankBarclays und der Getränke- und Lebensmittelkonzern PepsiCo laut offiziellen Firmenangaben bereits Millionenbeträge in den Mädchen- und Frauenfußball.
„Wir sind uns sicher, die Zeit ist jetzt reif für Frauen im Fußball, auch in Berlin. Ich will diese Veränderung aktiv mitgestalten und nicht nur von der Seitenlinie aus beobachten”, so die gebürtige Berlinerin Ariane Hingst. Auch Katharina Kurz, die selbst mit ihrer Craft-Beer-Marke BRLO als Sponsorin den Frauenfußball unterstützt, ist sich sicher: „Für Unternehmen wird es immer wichtiger, Haltung zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen. Wir bieten interessierten Partner:innen die Möglichkeit dazu, sich in den populärer werdenden Themen Frauen und Fußball zu engagieren.“
Aus diesem Grund stellen die Gründerinnen ihr Vorhaben von Anfang an unternehmerisch auf: So ist das Frauenteam zwar Teil des Gesamtvereins, aber handelt als ausgegliederte GmbH eigenverantwortlich und versteht sich als Start-up, was innovativ und wirtschaftlich denkt und handelt: „Als Gründerin bin ich es gewohnt, groß zu denken“, erklärt Unternehmerin und Multi-Investorin Verena Pausder und fügt hinzu: „Dass ich mal mit fünf anderen tollen Frauen ein Fußballteam übernehmen werde, hätte ich mir aber nie erträumt.“
Mehr als Fußball
Bei der Übernahme des Frauenteams geht es um mehr als wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg, wie Felicia Mutterer erklärt: „Fußball ist nicht nur die beliebteste Sportart der Welt, sondern auch die populärste Vereinssportart für Mädchen und Frauen in Deutschland. Wir wollen mehr Vorbilder, Möglichkeiten der Identifikation und Chancen. Wir wollen einen Kulturwandel anzetteln. Sportlich und gesellschaftlich.”
Veränderung braucht Zeit
Dass dies ein langer Weg sein wird, darüber sind sich die Frauen bewusst: „Unsere Vision von einer gleichberechtigten Teilnahme von Frauen im Fußball ist herausfordernd. Etablierte Vereins- und Verbandsstrukturen müssen dafür aufgebrochen werden, ein Wandel braucht Zeit“, sieht Lisa Währer voraus.
Das Momentum ist auf der Seite der sechs Gründerinnen. Schon zum Start ihrer Übernahme erhalten sie breite Unterstützung – angefangen beim Verein FC Viktoria 1889 Berlin, wie dessen Präsident Ulrich Brüggemann erklärt: „Unsere Mädchen und Frauen genießen seitens des Vereins seit Jahren viel Beachtung. Mit der Übernahme durch die Gründerinnen ist es nun möglich, sich noch intensiver um die Entwicklung des Frauenteams zu kümmern und die nächste Stufe, sprich die Bundesliga, zu erreichen. Wir freuen uns sehr und heißen die Gründerinnen bei Viktoria Berlin herzlich willkommen.“
Zeljko Karajica, Gesellschafter der FC Viktoria 1889 Berlin Fußball GmbH, der mit seiner Betreibergesellschaft das Regionalligateam der Frauen in die Neugründung einbringt, erklärt dazu: „Die Gründerinnen haben uns mit ihrem Konzept und ihrer Passion sofort abgeholt. Nicht ohne Grund haben wir die 1. Frauenmannschaft vor zwei Jahren ausgegliedert und die Professionalisierung vorangetrieben. Wir freuen uns nun, in dem neuen Set-up den Frauenfußball neu zu leben und erfolgreich zu gestalten.“
Auch namhafte Investorinnen wie die ehemalige Schwimmerin Franziska van Almsick, die ehemalige deutsche Fußballtorhüterin und -funktionärin Katja Kraus und Unternehmerin Lea-Sophie Cramer haben ihre Unterstützung bereits zugesagt. DB-Vorständin Sigrid Nikutta, die Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung Jutta Allmendinger und die ehemalige Bundesministerin für Justiz Brigitte Zypries sind als Botschafterinnen mit an Bord.
Bei der Politik weckt die Übernahme ebenfalls Interesse. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey: „Die Sportmetropole Berlin ist genau der richtige Ort, um neue Wege im Fußball zu gehen. In Berlin schaffte der deutsche Fußball seinen Durchbruch und der FC Viktoria 1889 ist einer der traditionsreichsten Vereine unserer Stadt. Der Spitzenfußball wird in der öffentlichen Wahrnehmung noch häufig von Männern dominiert. Daher unterstütze ich die Idee, den Fußball in unserer Hauptstadt und im ganzen Land weiblicher zu gestalten. Das steht Berlin gut zu Gesicht. Und es schafft mehr Sichtbarkeit und Teilhabe von Frauen im Profifußball. Für das Vorhaben wünsche ich den Initiatorinnen und dem Team viel Erfolg.“
Die nächsten Schritte
Der Jurist und Fußballberater Henner Janzen hat bereits im April die sportliche Leitung des Fußballteams übernommen. Der gebürtige Berliner stellt derzeit das Team zusammen. Am Wochenende 20. – 22. August 2022 startet dieses Team mit der ersten Runde im DFB-Pokal in die neue Saison.
Weitere Informationen finden Sie hier
Bild : Gründerinnen (v.l.n.r.): Wollen die deutsche Sportwelt nachhaltig verändern: Tanja Wielgoß, Lisa Währer, Verena Pausder, Ariane Hingst, Katharina Kurz, Felicia Mutterer.
Fotograf/Bildquelle Filiz Serinyel
Quelle Drei Brüder