Man kann sie mögen oder nicht. Man kann mit ihren Zielen einig sein oder nicht. Ihr Weg erscheint einem gut oder eben nicht. Und die ganze Bewegung findet man richtig oder übertrieben. Letztendlich liegt vieles im Auge des Betrachters. Doch eines dürfte zweifelsfrei klar sein: Dieser junge Mensch bewegt Millionen von Menschen. Die Rede ist von Greta Thunberg, der schwedischen Klimaaktivistin. Was können Führungskräfte von ihr lernen?
Ob auf Friday for Future-Demonstrationen oder auf Wahlzetteln, ob bei Tagungen oder schlichtweg während der Diskussion mit dem Nachbar: Greta Thunberg ist präsent, bei vielen in den Köpfen und bei anderen sogar in den Herzen. Sie ist eine junge Persönlichkeit, die wahrnehmbar die Welt definitiv ein Stück weit bewegt hat.
Es ist ja wahrlich nicht so, dass die Klimabewegung neu ist. Aber ihr fehlte bisher ein Gesicht. Und ohne Gesichter ist es heutzutage kaum möglich, eine Geschichte, eine Vision, eine Idee zu vermitteln. Greta Thunberg bedient die mediale Dynamik und alles, was „Greta“ im Titel hat, wird geklickt und gelikt. Greta bedient das Influencerprinzip und spricht große Personenkreise an.
Ein Unternehmen, eine Abteilung oder auch ein Bereich profitieren mehr denn je von einem Gesicht. Die Zeiten sind volatil und von Veränderungen gekennzeichnet. Da braucht es heute Chefs, die hinstehen. Ferdinand Piëch ist kürzlich gestorben, er gab einem Automobilkonzern ein Gesicht. Wer Tesla sagt, meint Elon Musk. Eine der relevantesten Aufgaben besteht also darin, dem Betrieb ein Gesicht zu geben. Insbesondere in Krisensituationen hat das Gewicht.
In vielen Business-Situationen geht es darum, dass Führungskräfte es schaffen, möglichst viele Mitarbeitende zu erreichen. Bei dieser Herausforderung können sie sich etwas von Greta abschauen: Sie strahlt ein unglaubliches Durchhaltevermögen aus. Sie hätte 1000 Gründe, das, was sie macht, nicht zu tun oder abzubrechen. Und doch ist sie hartnäckig und auf ihre Ziele fokussiert.
Die Parallelen zur idealen Führungsperson liegen auf der Hand:
Es gibt immer genug Gründe, sich von Widerstand bremsen oder durch ein anspruchsvolles Umfeld vom Ziel abbringen zu lassen. Da ist der schwierige Markt, der findige Mitbewerber, der anstrengende Mitarbeiter, der schlecht organisierte Vorgesetzte… Wer aber als Chef eine klare Vision hat und tatsächlich beseelt davon ist, hält durch!
Es ist ein offenes Geheimnis:
Nicht alles in den medialen Inszenierungen basiert auf Gretas eigenen Ideen. Sie hört auf jene, die sich in manchen Dingen besser auskennen als sie. Viele Chefs brüsten sich damit, alles selbst gut genug zu wissen. Doch gute Berater sind gute Gesprächspartner und eine Inspirationsquelle. Die Kunst besteht darin, weniger seriöse Berater und Besserwisser außen vor zu halten und die echten Spezialisten zu involvieren.
Greta handelt also aus einem starken, inneren Antrieb heraus. Die Schülerin ist intrinsisch motiviert. Genau das ist der Traum jedes Chefs, dass die Mitarbeitenden aus eigenen Stücken motiviert und engagiert an die Arbeit gehen. Doch auf Knopfdruck lässt sich das weder auslösen noch anordnen. Ein guter Chef versucht daher herauszufinden, wo die positiven inneren Antreiber der Mitarbeitenden zu finden sind – und kennt diese vor allem auch bei sich selbst, um Vorbild zu sein. Wer beseelt ist, strahlt das in Sachen Motivation auch aus. So lassen sich Menschen bestens fordern und fördern.
Die 16-jährige Greta Thunberg kann ein Ansporn sein, um die eigene Führungsrolle zu reflektieren. Unter zahlreichen Aspekten ist sie ein wahres Vorbild. Doch es gibt auch Themen, die dazu anregen, eher vorsichtig zu sein.
Ob zum Beispiel Gretas Segeltörn über den Atlantik ein kluger Schachzug war, ist fraglich. Medien spekulierten allerlei – mit dem unschönen Nebeneffekt, dass der eigentliche Beweggrund der Reise in den Hintergrund trat. Irgendein Journalist machte immer mal wieder die Rechnung auf, dass das, was sie tat, unter Umständen eben doch mehr CO2 brauchte.
Wer sieht, wie oft Greta Thunberg das Covergirl auf Magazinen ist, muss feststellen:
Nicht selten haben die Titel mit ihren Zielen überhaupt nichts am Hut. Die ursprüngliche Idee ist durch die mediale Übertreibung dort gelandet, wo es nicht mehr um die Sache geht. Die gedankliche Brücke zur Führungskraft wird dann klar, wenn man sich fragt: Wie oft geht es um die reine Inszenierung und nicht mehr um den Sachverhalt oder die Mission? Will der Chef im Licht der Scheinwerfer glänzen? Treten dadurch die oft hehren Absichten des Unternehmens, der Abteilung, des Projekts oder des Teams in den Hintergrund? Wenn es nur noch um die reine Vermarktung geht, verliert das Ziel. Und das tut Greta nicht gut – und keinem Chef.
Wer will, kann von jedem Menschen etwas lernen – und von Greta Thunberg noch ein wenig mehr. Ein entscheidender Aspekt bei ihr: Sie tut! Sie redet nicht nur gescheit daher, sondern nimmt viel Unannehmlichkeiten auf sich. Sie lässt sich blicken, hält Reden, ist vor Ort, schürt Konflikte und versucht sie wieder zu lösen. Greta Thunberg wird das Klima nicht retten. Doch sie zeigt, dass es machbar ist, am eigenen Thema konsequent dran zu bleiben. Let’s go – das gilt auch für jeden Chef.
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