Freitag, November 22, 2024
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HOWARD BOVILLE, KI-Experte DXC Technology im Interview

Howard Boville ist ein weltweit führender KI-Experte aus New York

FRAGE: Mit dem „AI-Act“ hat die Europäische Union jüngst das weltweit erste KI-Gesetz verabschiedet. Die Verordnung regelt einen einheitlichen Rahmen für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der EU. Was halten Sie von einer solchen Gesetzgebung zur KI?

Howard Boville: Das KI-Gesetz baut auf dem Erbe auf, wie Europa über Daten denkt: Aus meiner Sicht gibt es eine Reihe von Elementen, die die KI-Verordnung zu einem guten Rechtsakt machen. Daten und Privatsphäre werden von den EU-Regulatoren in den Fokus genommen. Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht beeindruckend, wie schnell es gelungen ist, viele verschiedene Nationalstaaten bei einem solchen komplexen Thema zusammenzubringen.

Das ist kein triviales Unterfangen. Es ist großartig, dass ein Block mit der Größe von 27 Nationen so schnell etwas zusammengebracht hat. Aber es baut auf der Tatsache auf, dass der Schutz der Privatsphäre wichtig ist und dass die Rechte der Bürger im Mittelpunkt der Funktionsweise der Europäischen Union stehen. Das kann anderen Nationalstaaten helfen, über künstliche Intelligenz nachzudenken.

Der EU-Rahmen bietet in dieser Hinsicht Schutz und schafft darüber hinaus auch ein Bewusstsein dafür, wie man über KI denken sollte. Wie wir wissen, gibt es zum Beispiel bei großen Sprachmodellen, sei es Claude, ChatGPT oder andere, diese Neigung zu Halluzinationen: Wenn man den Systemen eine Frage stellt, werden sie in jedem Fall eine Antwort geben, egal welcher Datenqualität aktuell vorliegt. Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind und unser kritisches Denken auf die bereitgestellten Informationen anwenden.

FRAGE: Glauben Sie, dass die USA ähnlich regulieren werden?

Howard Boville: Ich habe in stark regulierten Branchen und für globale Unternehmen gearbeitet. In der Regel gibt es einen Ideenaustausch und Gemeinsamkeiten in der Denkweise der Regulierungsbehörden. Die Welt ist größtenteils global vernetzt. Aus meiner Sicht ist es angemessen, dass die Nationalstaaten Vorschriften erlassen, die für ihr Land relevant sind. Sie sollten jedoch so weit wie möglich mit den gemeinsamen globalen Rahmenwerken übereinstimmen. Es gibt viele Beispiele dafür, dass dies bereits geschehen ist. Man denke nur an die ISO-Normen für die Fertigung und Qualitätsprozesse oder an das US-Normungsgremium für Technologie NIST. Denken Sie zudem an die Telekommunikationsnetze: Sie arbeiten zusammen, um sicherzustellen, dass die Kommunikation über ihre Systeme kooperativ funktioniert.

FRAGE: Eine Regulierung hat also den Vorteil, dass man Vertrauen schafft – verliert man im Gegenzug Tempo bei der Innovation?

Howard Boville: Ich bin ein starker Verfechter der kontrollierten Innovation. Wenn man die Worte „außer Kontrolle“ und „Innovation außer Kontrolle“ hört, wird man unruhig. Man braucht also eine kontrollierte Innovation. Ein Teil der EU-KI-Verordnung sieht dies in Form von Sandkästen vor, die in diesem Bereich eingesetzt werden sollen. Man braucht kontrollierte Innovation in allen Dimensionen, sei es in der Fertigung oder im Dienstleistungsbereich, bei Finanzdienstleistungen oder in diesem Fall bei der KI. Aus meiner Sicht wichtig: Die beste Innovation entsteht, wenn man sich in einem Umfeld von Zwängen bewegt. Wenn Sie sich in einer Position des Überflusses befinden oder vollkommen frei sind, dann ist Ihr Fokus nicht dort, wo er sein muss. Ich glaube also fest daran, dass man in einem regulierten Umfeld innovativ sein kann.

FRAGE: Wenn wir einen Blick in die Praxis werfen. Welche konkreten Erfahrungen haben Unternehmen in den letzten 12 Monaten mit generativen KI-Projekten gemacht?

Howard Boville: Wie bei jeder Innovation gibt es eine gewisse Erwartungshaltung, die enttäuscht werden kann, wenn die Ergebnisse in der Realität von den ursprünglichen Vorstellungen abweichen. Damit lösen sich Illusionen in Luft auf. In der Praxis experimentiert so gut wie jedes Unternehmen mit KI. Gleichzeitig kämpft aber praktisch auch jedes Unternehmen damit zu verstehen, wo der skalierbare Wert liegt. Aber das ist natürlich bei jeder Art von Innovation der Fall. Das ist also nicht nur spezifisch für KI. Entscheidend ist, dass dieser Weg als methodische Untersuchung betrachtet wird und nicht als Misserfolg.

Wenn also ein Projekt auf den ersten Blick keine materiellen Ergebnisse für ein Unternehmen gebracht hat, so gibt es wichtige Lektionen, die man aus diesem Prozess gelernt hat und die nicht verloren gehen. Wir sehen bei unseren Kundenprojekten: Wenn ein Werkzeug wie KI in diesen Prozessen tatsächlich einsetzt wird, gewinnt man konkrete Erfahrungen, die einen zum Meister in der Anwendung machen. Wir bieten unseren Kunden für solche Innovationsprozesse einen Rahmen und einen methodischen wissenschaftlichen Ansatz, damit die Unternehmen mit der Iteration bis zu dem Punkt fortfahren können, an dem sie einen zunehmenden Mehrwert gewinnen.

FRAGE: Was sollte in der Praxis vermieden werden?

Howard Boville: Ein fehlender Fokus. Man muss sich zunächst einmal über das Ergebnis im Klaren werden, von dem man träumt. Es gibt eine Methodik, die wir bei DXC anwenden, die aus drei einfachen Worten besteht: Ziel, Plan, Lösung. Auf etwas konkretes zu zielen ist wichtig: Wie beim Bogenschießen kann man nur auf eine Sache zielen. Man kann nicht gleichzeitig auf zwei Dinge zielen – der Pfeil wird nur einmal treffen können. Man muss sich also mit dem Ziel, das man erreichen will, genau beschäftigen. Und dann stellt sich die Frage, was sind die verschiedenen Szenarien oder Hindernisse, die im Wege stehen, um dieses Ziel zu erreichen. Und dann entwickeln Sie einen Plan, der diese Hindernisse überwindet. Diese einfache Struktur hilft den Kunden dabei, wie sie ihre Ressourcen einsetzen.

Denn was jeder hat, ist eine Beschränkung der Ressourcen. Wenn Sie Klarheit über die Zielsetzung und die Probleme haben, die Sie lösen müssen, lassen sich die Ressourcen entsprechend priorisieren und mit der Planung auf das Ziel anpassen. KI wird auf diesem Weg als eine Komponente eingesetzt. KI ist demnach eine Zutat für das Gesamtrezept, aber nicht das Rezept selber. Es gibt also noch andere Zutaten, die man zum Einsatz von KI hinzufügen muss, um sicherzustellen, dass man die angestrebten Ziele tatsächlich erreichen kann.

FRAGE: Das führt uns direkt zur nächsten Frage: Was ist in der Praxis erfolgreich?

Howard Boville: Wir sind in zahlreichen sehr spannenden Projekten engagiert – dazu zählt beispielsweise die F&E-Plattform, die wir für BMW aufgebaut haben. Die Autobauer nutzen unser System seit mehr als einem Jahrzehnt, um das autonome Fahren zu verbessern. In erster Linie geht es darum, an der Qualität des autonomen Fahrens zu arbeiten und höhere Stufen der Sicherheit zu zertifizieren. Die Plattform läuft derzeit bereits auf Stufe 3 – die Stufe 5 ist die Höchste. Der Vorteil unserer Technologie: Man muss nicht physisch 1 Milliarde Kilometer fahren, um zu versuchen, alle Umweltbedingungen und all die verschiedenen Datenpunkte zu erfassen, die man zur Verbesserung der eigentlichen Sensortechnologie benötigt.

Wir nutzen stattdessen die F&E-Plattform und setzen generative KI mit großen Sprachmodulmodellen ein. Zunächst werden Daten eines realen Fahrzeugs aufgezeichnet, dass auf regennasser Straße oder bei sonstigen Wetterbedingungen fährt. Dann wenden wir umfangreiche Sprachmodelle auf diese Datensätze an, um die Eigenschaften bei Regen oder anderen Wetterbedingungen digital zu simulieren. So lassen sich die Algorithmen verbessern, Probleme lösen und das Innovationstempo beschleunigen, um höhere Sicherheitsniveaus für die Plattform zu erreichen. Das Vorgehen hat auch einen Nachhaltigkeitsvorteil, weil man in der Datensimulation kein Fahrzeug mehr braucht, das in der realen Welt eine Milliarde Kilometer auf der Straße zu einem Zielort fährt.

FRAGE: Es ist also möglich, mit der KI reale Wetterbedingungen auf einer Autofahrt zu simulieren?

Howard Boville: Ja, und die Ergebnisse der Simulation werden für unterschiedliche Wetterbedingungen schrittweise immer weiter validiert. Wir setzen die großen Sprachmodelle ein, um reale Umgebungen zu simulieren. Es kommen aber auch andere KI-Technologien zum Einsatz: Dazu zählen beispielsweise Machine-Learning oder neuronale Netzwerke. Es gibt also viele Varianten der künstlichen Intelligenz, die bei Innovationsprojekten verwendet werden. Zusammen mit anderen Zutaten, können Sie die gewünschten Lösungen liefern.

FRAGE: Welche Bedeutung hat generative KI für DXC Technology?

Howard Boville: Als ein Unternehmen für Technologiedienstleistungen sind wir nicht fokussiert auf die Technologie als Endresultat. Technologie ist wie ein Werkzeugkasten, dessen Tools man zur Lösung eines Problems einsetzen kann. Generative KI und andere KI-Technologien sind demnach Werkzeuge oder Module im Rahmen einer Innovationsstrategie. Was uns im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen einzigartig macht, ist die Tatsache, dass wir mit erfahrenen Ingenieuren arbeiten, die ihr Wissen über eine Reihe verschiedener Technologien oder neu entstehender Technologien anwenden. Diese Teams sind sehr stark darauf spezialisiert, mit ihrem Erfahrungswissen Probleme zu lösen.

Das autonome Fahren ist so ein Beispiel. Bei der Entwicklung der F&E-Plattform für BMW haben wir anfangs keine generative KI verwendet. Als dieses Werkzeug aber ein relevantes Modul wurde, dachten wir: OK, wir bauen das ein, um die Sicherheit und die tatsächliche Leistung für autonomes Fahren zu verbessern.

FRAGE: DXC Technology arbeitet mit Kunden weltweit zusammen. Welche Länder haben bei der Nutzung von KI aus Ihrer Sicht die Nase vorn?

Howard Boville: Eine interessante Frage. Ich glaube nicht, dass ein bestimmtes Land vorne oder hinten ist. Denn eine Innovation rund um künstliche Intelligenz kann beispielsweise in den USA entstehen und anschließend fast sofort von einem anderen Land auf der Welt aufgegriffen werden. Es handelt sich also nicht um eine Idee, bei der bestimmte Elemente fundamental gesetzlich so geschützt sind, dass es Jahre dauert bis andere Länder aufholen.

Und damit schließt sich der Kreis zur ersten Frage: Warum muss es Kontrollen geben? Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit und der Austausch von Ideen länderübergreifend fortgesetzt werden. Ziel sollte auch in Zukunft sein, Probleme zu lösen – also den roten Punkt in der Mitte einer Zielscheibe zu treffen- aber auf kontrollierte Weise. Bei der Nutzung von KI gibt es mit der globalen Vernetzung verschiedene Nationen, die sich einander annähern oder zusammenarbeiten, anstatt dass ein Nationalstaat einem anderen voraus ist.

Über DXC Technology

DXC Technology (NYSE: DXC) unterstützt globale Unternehmen dabei, ihre geschäftskritischen Systeme und Abläufe zu betreiben und gleichzeitig die IT zu modernisieren, Datenarchitekturen zu optimieren sowie Sicherheit und Skalierbarkeit über öffentliche, private und hybride Clouds zu gewährleisten. Die weltweit größten Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors vertrauen auf DXC, wenn es darum geht, Services zu implementieren, um neue Maßstäbe in Bezug auf Leistung, Wettbewerbsfähigkeit und Kundenerlebnis zu setzen. Erfahren Sie mehr darüber, wie wir für unsere Kunden und Kollegen Spitzenleistungen erbringen, unter DXC.com.

Bild HOWARD BOVILLE

Pressekontakt econNEWSnetwork

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