Instagram Influencer heute vor dem BGH: Wann müssen Postings als Werbung markiert werden?
Influencer erreichen in den sozialen Medien Millionen Menschen, entsprechend häufig gibt es Streit um die Kennzeichnungspflicht ihrer Postings als Werbung. Der BGH hat nun in gleich drei prominenten Fällen die Chance, eine enorm relevante Fragestellung für Influencerinnen und Influencer zu klären. Kern der Verhandlungen sind sogenannte „Tap Tags“. Der Kölner Medienrechtler Christian Solmecke klärt auf:
„Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt heute über die elementare und bislang nicht höchstrichterlich entschiedene Frage, ob sogenannte Tap Tags auf Instagram Werbung darstellen. Dabei handelt es sich um zunächst verborgene Verlinkungen (Tags) auf Instagram-Posts. Die Verlinkungen werden erst eingeblendet, wenn Nutzerinnen und Nutzer auf das entsprechende Posting klicken (Tap). Verlinkt werden zumeist auf den Fotos erkennbare bekannte Markenprodukte, für die aber keine unmittelbare Gegenleistung von der benannten Firma erbracht wurde, also mithin um von der Influencerin selbsterworbene Produkte. Mittels solcher Tap Tags kann der Influencer auf Instagram Accounts von Dritten verlinken und Nutzerinnen und Nutzer durch einen zweiten Klick bzw. Tap innerhalb von Instagram weiterleiten.“
Die aktuellen Verhandlungen betreffen die drei bundesweit bekannten Influencerinnen Cathy Hummels (BGH, I ZR 126/20), Leonie Hanne (BGH, Az. I ZR 125/20) und Luisa Maxime Huss (BGH, Az. I ZR 90/20). Kläger in allen drei Verfahren ist der berüchtigte Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW), dessen zahlreiche Abmahnungen wegen angeblicher Schleichwerbung auf Instagram-Accounts in den Jahren 2017 und 2018 als sog. „Abmahngate“ bekannt wurden. Seither sind in Sachen Influencer-Marketing zahlreiche unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen ergangen. Während der klagende Verein vorm Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig gegen Huss Erfolg hatte, entschied das OLG Hamburg zugunsten Hannes und das OLG München zugunsten von Cathy Hummels. Der BGH muss nun klären, ob die Nutzung sog. Tab Tabs als Werbung gekennzeichnet werden muss.
Rechtsanwalt Christian Solmecke: „Als Faustformel bei Werbekennzeichnungen gilt zunächst einmal grundsätzlich: Wer Werbung betreibt, der muss dies auch als Werbung kennzeichnen. Somit sind Postings grundsätzlich immer dann als unzulässige Schleichwerbung einzustufen, wenn redaktionelle Texte und Werbung nicht hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt werden. Für Influencer bedeutet dies, dass das jeweilige Werbeposting nicht als bloßer redaktioneller Inhalt dargestellt werden darf, sondern es für den Nutzer eindeutig erkennbar sein muss, dass es sich hierbei um Werbung handelt. Mit den Tap Tags indes wird zurzeit aber rechtliches Neuland betreten.“
Dazu Rechtsanwalt Christian Solmecke: „Auch ohne eine Gegenleistung erhalten zu haben, erhoffen sich Influencerinnen und Influencer womöglich von einer Marken-Verlinkung, dass sich dadurch künftig eventuell eine entsprechende Kooperation mit dem verlinkten Unternehmen ergibt. Vielleicht will man sich aber auch ‚nur‘ vernetzen oder die eigene Sichtbarkeit erhöhen. Unlautere Werbung liegt meiner Auffassung jedenfalls aber nur dann vor, wenn tatsächlich eine direkte Gegenleistung erbracht wurde und dies für Nutzerinnen und Nutzer nicht kenntlich ist. Postings, die vorrangig der Information der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Meinungsbildung dienen, und für die keine Gegenleistung entgegengenommen wird, sind deshalb keine Werbung. Würden diese Postings aber dennoch als Werbung gekennzeichnet, könnten Nutzerinnen und Nutzer tatsächliche Werbung nur noch schwer erkennen.“
Solmecke weiter: „Deshalb ist es sehr erfreulich, dass seit dem 20. Januar ein Regierungsentwurf existiert, der den für solche Sachverhalte bislang vorrangig anwendbaren § 5a Abs. 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) durch einen neuen Absatz 4 ab 2022 ersetzen soll. Ab dem kommenden Jahr soll keine Schleichwerbung vorliegen, wenn der Handelnde zwar zugunsten eines anderen Unternehmens tätig wird, aber kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung dafür erhält. Durch dieses Gesetz soll vermieden werden, dass Influencerinnen und Influencer grundsätzlich alle Postings als Werbung kennzeichnen. So sollen Verbraucher bezahlte Werbung künftig klar erkennen.“
Der BGH hat nun die Möglichkeit, dem Gesetzgeber zuvorzukommen und schon durch ein Grundsatzurteil die erwünschte Rechtsklarheit herbeiführen. Für eine einheitliche Rechtsordnung ist zu erwarten, dass der BGH auf einer Linie mit dem neuen Gesetzesentwurf entscheidet und die Klagen gegen die Influencerinnen abweist“, stellt Rechtsanwalt Solmecke abschließend fest.“
Foto/Quelle: WILDE BEUGER SOLMECKE