Sonntag, April 20, 2025
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Söder legt Latte für Union bei Bundestagswahl auf 35 Prozent

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München (dts Nachrichtenagentur) – Bayerns Ministerpräsident Markus Söder setzt das Ziel für das Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl deutlich über aktuellen Umfragewerten an. „30 Prozent für die Union wären zu wenig, um eine stabile, erfolgreiche Regierung zu bilden“, sagte der CSU-Chef dem „Spiegel“.

„Friedrich Merz hat selbst gesagt, das Potenzial für die Union läge bei 35 Prozent plus X. Ich teile diese Auffassung.“ CDU und CSU sollten so stark werden, „dass man keine Notkoalition oder Wischiwaschi-Bündnisse bilden muss“, so der CSU-Politiker. „Je schwächer wir abschneiden, desto mehr Kompromisse werden wir in einer möglichen Regierung machen müssen.“

Zur Frage der Kanzlerkandidatur von CDU und CSU erklärte Söder: „Wir haben zwei starke und geeignete Parteivorsitzende. Einer von uns beiden wird dann der Kanzlerkandidat.“ Söder und CDU-Chef Friedrich Merz hatten in Aussicht gestellt, die Personalie in den kommenden Wochen klären zu wollen. Zu seinen eigenen Chancen sagte Söder dem „Spiegel“: „Die CDU als größere Partei hat in der Regel den Vortritt. Aber wenn sie mich bittet, dann drücke ich mich nicht vor der Verantwortung.“


Foto: Markus Söder (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Cern-Chefin sieht Europas Führungsrolle in Teilchenphysik bedroht

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Genf (dts Nachrichtenagentur) – Die Direktorin des Kernforschungszentrums Cern in Genf, Fabiola Gianotti, warnt davor, dass Europa in der Hochenergiephysik hinter China zurückfällt.

„Europa könnte seine Führungsrolle in der Teilchenphysik verlieren“, sagte sie dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“. Die Untersuchung der kleinsten physikalischen Teilchen helfe nicht nur zu verstehen, wie das Universum auf der grundlegendsten Ebene funktioniere. Die dafür notwendige Technologie treibe auch Entwicklungen in anderen Bereichen voran, „unter anderem bei bildgebenden Verfahren in der Medizin, der Krebsbehandlung oder Künstlicher Intelligenz für autonomes Autofahren“.

Als Nachfolger des Large Hadron Collider (LHC), mit dem im Jahr 2012 das sogenannte Higgs-Teilchen entdeckt wurde, plant das Cern den Bau eines neuen, 91 Kilometer langen Riesenbeschleunigers für umgerechnet ungefähr 16 Milliarden Euro. Deutschland als größter Beitragszahler des Cern stellte kürzlich die finanzielle Unterstützung dieser Maschine infrage. China verfolgt den Bau eines ähnlich leistungsfähigen Ringbeschleunigers. „Wenn wir Vorreiter bleiben wollen, sollte der neue Beschleuniger am Cern gebaut werden“, sagte Gianotti.

Zwar habe China signalisiert, dass ein Beschleuniger im eigenen Land auch internationalen Wissenschaftlern offen stehe. Gianotti hält es aber für unwahrscheinlich, dass dieser die gesamte Gemeinschaft der Teilchenphysik aufnehmen könnte. „Bei der gegenwärtigen politischen Weltlage können sich Wissenschaftler mancher Länder nicht sicher sein, ob sie überhaupt in China arbeiten dürfen“, sagte Gianotti.

Die Physikerin hält es dagegen nicht für ausgeschlossen, dass China neben den aktuell 24 Cern-Mitgliedsländern ein assoziiertes Mitglied werden könnte wie zuletzt Brasilien. Damit könnte das Land etwa an Cern-Sitzungen teilnehmen, auch zu Finanzfragen. Gespräche mit China dazu seien vor einigen Jahren versandet, sagte Gianotti, schloss einen erneuten Anlauf aber nicht aus. „Ich denke, eine assoziierte Mitgliedschaft von China wäre eine gute Sache“, sagte sie.


Foto: CERN (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Deutschlandticket könnte fünf bis zehn Euro teurer werden

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Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Das Deutschlandticket könnte ab Januar 2025 mindestens um fünf bis maximal zehn Euro teurer werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung im Auftrag des Bundes und der Bundesländer, über die der „Spiegel“ berichtet.

Die Experten stellen darin fest, dass im kommenden Jahr eine Preiserhöhung auf bis zu 59 Euro ausreiche, um den Pauschalfahrschein, der bisher 49 Euro pro Monat kostet, weiter finanzieren zu können. Die Bedingungen dafür: Bund und Länder müssten weiterhin je anderthalb Milliarden Euro für das Ticket zur Verfügung stellen und die nicht abgerufenen Gelder aus dem Vorjahr nutzen dürfen.

Die Untersuchung, die auch auf Marktstudien beruht, für die Tausende Online-Interviews mit Kunden durchgeführt wurden, soll den Verkehrsministerien von Bund und Ländern als Entscheidungsgrundlage dienen. In der Expertise wird zudem der Frage nachgegangen, wie viele Kunden aus dem Ticket aussteigen würden, wenn es teurer würde. Bei einem Preis von 69 Euro, so die Autoren, könnten beispielsweise bis zu 42 Prozent abspringen. Einen definitiven Beschluss über den Preis des Tickets will die Verkehrsministerkonferenz der Länder in einer Sondersitzung Ende September treffen.


Foto: Deutschlandticket (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Ampel-Koalitionsausschuss für kommenden Mittwoch abgesagt

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Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Ein für Mittwoch kommender Woche geplanter Koalitionsausschuss der Ampel-Regierung ist offenbar abgesagt worden. Das bestätigten mehrere Teilnehmer des Gremiums der „Welt am Sonntag“.

Seit dem für SPD, Grüne und FDP verheerenden Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben die Koalitionspartner im Bund nicht miteinander beraten. Stattdessen trafen sich alle drei Fraktionen diese Woche jeweils allein auf Klausurtagungen. Zuletzt war bereits eine ursprünglich für den 3. September geplante Klausurtagung des Bundeskabinetts in Schloss Meseberg abgesagt worden – vorgeblich aus terminlichen Gründen.

Dabei gibt es enormen Klärungsbedarf: Bis Mitte nächster Woche will man sich auf Reformen der Migrationspolitik verständigen. Die Union fordert Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen. Während sich SPD und FDP zunächst offen zeigten, äußerten die Grünen schwere Bedenken.


Foto: Ampel-Minister (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Ökonomen bekräftigen Forderung nach Konjunkturprogramm fürs Wohnen

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Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Mehrere Spitzen-Ökonomen unterstützen die Forderungen nach einem milliardenschweren Konjunkturprogramm für den Wohnungsbau.

„Der Zeitpunkt ist klug, da sich eine zusätzliche Nachfrage der öffentlichen Hand kaum auf die Preise auswirken würde“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben). Der fehlende Wohnraum und die explodierenden Wohnkosten würden vor allem verletzliche Gruppen der Gesellschaft hart treffen. „Daher ist die Forderung nach zusätzlichen Geldern für den sozialen Wohnungsbau richtig.“

Der Deutsche Mieterbund und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hatten pro Jahr 20 Milliarden Euro für den bezahlbaren und sozialen Wohnungsbau gefordert und sich bei der Höhe der Mittel auf eine Analyse des Pestel-Instituts gestützt. Fratzscher warnte allerdings davor, die Baubranche zu subventionieren, da deren Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren hohe Profite erzielt hätten. „Die Unternehmen der Baubranche sollten sich darauf fokussieren, produktiver und effizienter zu produzieren, um die Kosten zu senken. Neben einer stärkeren Förderung des sozialen Wohnungsbaus sollte vor allem auf eine Deregulierung, schnellere Verfahren und das Ausweisen von neuem Bauland gesetzt werden“, sagte Fratzscher.

Positiv bewertet die Forderung auch Peter Bofinger, langjähriges Mitglied im Sachverständigenrat. „Der Kern des deutschen Wirtschaftsmodells funktioniert nicht mehr. Der Export ist stark rückgängig, Innovationen im Bereich Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz finden in Deutschland nahezu nicht statt. Zumindest bauen können wir aber noch. Dann sollten wir das doch auch nutzen“, sagte der VWL-Professor an der Universität Würzburg den Funke-Zeitungen. 20 Milliarden Euro würden einen halben Prozentpunkt beim Bruttoinlandsprodukt ergeben, hinzu könnten weitere Effekte durch ausgelöste private Investitionen kommen.

Bofinger plädierte für Zinssubventionen und bessere Abschreibungsbedingungen. „Würden Unternehmen zinsverbilligte Kredite von einem Prozent erhalten, könnte die Miete damit pro Quadratmeter um zwei Euro gesenkt werden“, sagte Bofinger. Aber auch eine Abschaffung der Grunderwerbsteuer beim ersten Immobilienkauf oder eine anteilige Zurückzahlung, wenn man vorzeitig ausziehe, könne helfen. „Wer zum Beispiel nach zwei Jahren auszieht, müsste dann nur 20 Prozent Grunderwerbsteuer zahlen“, sagte Bofinger.

Michael Voigtländer, Immobilienökonom beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln (IW), plädierte für eine Senkung der Grunderwerbsteuer oder Fertigungsprämien. „Aufgrund der Zinserhöhungen und der Baukostensteigerungen der letzten Jahre passen aktuell Angebot und Nachfrage nicht mehr zusammen, daher sind Impulse durchaus wichtig“, sagte Voigtländer den Funke-Zeitungen. Zugleich müsse mehr Bauland ausgewiesen und das Bauen vereinfacht werden. „Solche Strukturreformen sollten fiskalische Impulse unbedingt begleiten.“


Foto: Modernes Wohnhaus mit Balkonen (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Produktion im Juli zurückgegangen

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Wiesbaden (dts Nachrichtenagentur) – Die preisbereinigte Produktion in der Industrie ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Juli 2024 gegenüber Juni 2024 saison- und kalenderbereinigt um 2,4 Prozent gesunken. Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich war die Produktion von Mai 2024 bis Juli 2024 um 2,7 Prozent niedriger als in den drei Monaten zuvor, teilten die Statistiker am Freitag mit.

Im Juni 2024 stieg die Produktion gegenüber Mai 2024 nach Revision der vorläufigen Ergebnisse um 1,7 Prozent (vorläufiger Wert: +1,4 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahresmonat Juli 2023 war die Produktion im Juli 2024 kalenderbereinigt 5,3 Prozent niedriger.

Die Produktion ging im Juli 2024 in den meisten Bereichen des Produzierenden Gewerbes zurück. Vor allem der Rückgang in der Automobilindustrie um kalender- und saisonbereinigt 8,1 Prozent zum Vormonat beeinflusste das Gesamtergebnis stark negativ, nachdem die Produktion in diesem Bereich im Juni 2024 noch um 7,9 Prozent im Vormonatsvergleich gestiegen war. Auch die Rückgänge in den Bereichen Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (-7,0 Prozent) und Herstellung von Metallerzeugnissen (-3,8 Prozent) wirkten sich deutlich negativ aus.

Die Industrieproduktion (Produzierendes Gewerbe ohne Energie und Baugewerbe) nahm im Juli 2024 gegenüber Juni 2024 saison- und kalenderbereinigt um 3,2 Prozent ab. Dabei sank die Produktion von Investitionsgütern um 4,2 Prozent, die Produktion von Vorleistungsgütern um 2,8 Prozent und die Produktion von Konsumgütern um 1,2 Prozent. Außerhalb der Industrie verzeichnete die Energieerzeugung im Juli 2024 einen Rückgang von 1,9 Prozent. Die Bauproduktion stieg im Vergleich zum Vormonat um 0,3 Prozent.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat Juli 2023 sank die Industrieproduktion im Juli 2024 kalenderbereinigt um 6,1 Prozent.

In den energieintensiven Industriezweigen ist die Produktion im Juli 2024 gegenüber Juni 2024 saison- und kalenderbereinigt um 1,8 Prozent gesunken. Im Dreimonatsvergleich war die Produktion in diesen Industriezweigen von Mai 2024 bis Juli 2024 um 0,7 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor. Verglichen mit dem Vorjahresmonat Juli 2023 war die energieintensive Produktion im Juli 2024 kalenderbereinigt um 3,0 Prozent höher, so das Bundesamt.


Foto: Autoproduktion (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

Foto/Quelle: dts

Zahl der Kindeswohlgefährdungen auf neuem Höchststand

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Wiesbaden (dts Nachrichtenagentur) – Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland hat im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mitteilte, stellten die Jugendämter bei mindestens 63.700 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest.

Das waren rund 1.400 Fälle oder zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Da einige Jugendämter für das Jahr 2023 keine Daten melden konnten, ist aber sicher, dass der tatsächliche Anstieg noch deutlich höher ausfiel: Werden für die fehlenden Meldungen im Jahr 2023 die Ergebnisse aus dem Vorjahr hinzugeschätzt (+3.300 Fälle), liegt der Anstieg der Kindeswohlgefährdungen gegenüber dem Vorjahr bei 4.700 Fällen oder 7,6 Prozent.

Wird zusätzlich der allgemeine Anstieg berücksichtigt, erhöht sich das Plus sogar auf rund 5.000 Fälle beziehungsweise 8,0 Prozent. Nach dieser Schätzung läge die Gesamtzahl im Jahr 2023 bei 67.300 Fällen. Neben Fehlern bei der Datenerfassung und dem Cyberangriff auf einen IT-Dienstleister wurde als Grund für die fehlenden Meldungen im Jahr 2023 auch die Überlastung des Personals im Jugendamt genannt.

Der langfristige Anstieg der Zahl behördlich festgestellter Kindeswohlgefährdungen setzte sich damit auch 2023 fort. Mit Ausnahme des Jahres 2017 und des Corona-Jahres 2021 nahmen die Fallzahlen seit Einführung der Statistik im Jahr 2012 stets zu. Am höchsten waren die Anstiege von 2018 bis 2020 mit jeweils neun Prozent bis zehn Prozent mehr Fällen als im Vorjahr. Gründe für diese Entwicklung können – neben einer tatsächlichen Zunahme der Gefährdungsfälle – auch eine höhere Sensibilität und Anzeigebereitschaft der Öffentlichkeit und Behörden beim Thema Kinderschutz sein.

Den rund 63.700 Meldungen zufolge waren die betroffenen Kinder im Jahr 2023 bei Feststellung der Kindeswohlgefährdung im Schnitt 8,2 Jahre alt. Während bis zum Alter von zwölf Jahren Jungen etwas häufiger von einer Kindeswohlgefährdung betroffen waren, galt dies ab dem 13. Lebensjahr für Mädchen. Die meisten betroffenen Minderjährigen wuchsen bei alleinerziehenden Elternteilen (39 Prozent) oder beiden Eltern gemeinsam (38 Prozent) auf. 13 Prozent lebten bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und zehn Prozent in einem Heim, bei Verwandten oder in einer anderen Konstellation. In knapp jedem dritten Fall (31 Prozent) waren ein oder beide Elternteile ausländischer Herkunft (nicht in Deutschland geboren) und die vorrangig gesprochene Familiensprache nicht deutsch. In 45 Prozent aller Fälle nahmen die Jungen oder Mädchen zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch, standen also schon in Kontakt zum Hilfesystem. Dabei war in etwa jedem vierten Fall (27 Prozent) innerhalb des Jahres schon einmal eine Meldung zu dem Kind eingegangen.

In den meisten Fällen von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt (58 Prozent). Bei 36 Prozent gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen. In 27 Prozent der Fälle wurden Indizien für körperliche Misshandlungen und in sechs Prozent für sexuelle Gewalt gefunden. Den Jugendämtern zufolge hatte ein Teil der Kinder mehrere dieser Gefährdungsarten – also Vernachlässigungen, psychische Misshandlungen, körperliche Misshandlungen oder sexuelle Gewalt – gleichzeitig erlebt: 2023 traf das auf knapp jeden vierten Fall von Kindeswohlgefährdung zu (23 Prozent).

Neue Ergebnisse zeigen nun auch, von wem die Gefährdung des Kindes – ausschließlich oder hauptsächlich – ausging: In 73 Prozent aller Fälle war das die eigene Mutter oder der eigene Vater. In weiteren vier Prozent war es ein Stiefelternteil oder der neue Partner eines Elternteils und in sechs Prozent eine sonstige Person, etwa eine Tante, ein Trainer, der Pflegevater oder die Erzieherin. In ebenfalls sechs Prozent der Fälle konnte zwar angegeben werden, dass die Gefährdung von mehreren Personen ausging, aber keine Hauptperson benannt werden. Und in elf Prozent der Fälle waren weder die Zahl der Beteiligten noch die (Haupt-)Person bekannt.

Den vorliegenden Daten zufolge haben die Jugendämter im Jahr 2023 insgesamt rund 211.700 Hinweismeldungen durch eine Gefährdungseinschätzung geprüft – auch hier liegt die tatsächliche Zahl wegen der Datenausfälle noch höher. Die meisten Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung wurden von Polizei und Justiz an die Jugendämter weitergegeben (31 Prozent). Etwas seltener kamen die Hinweise aus der Bevölkerung – also von Verwandten, Bekannten, aus der Nachbarschaft oder anonym (22 Prozent). An dritter Stelle folgten Hinweise aus der Kinder- und Jugend- oder Erziehungshilfe (13 Prozent) und dahinter Hinweise aus den Schulen an die Jugendämter (zwölf Prozent). Etwa ein weiteres Zehntel der Hinweise auf die Gefährdungssituation stammte aus den Familien selbst, also von den betroffenen Minderjährigen (zwei Prozent) oder ihren Eltern (sieben Prozent). In 30 Prozent aller Hinweismeldungen haben die Jugendämter den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung anschließend bestätigt. Die zuverlässigsten Hinweisgeber waren dabei die Betroffenen selbst: Bei den Selbstmeldungen von Kindern und Jugendlichen war die Bestätigungsquote am höchsten und lag mit 60 Prozent doppelt so hoch wie der Durchschnitt, so die Behörde.


Foto: Kinder hinter einem Gitter (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

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Jede Form der Diskriminierung beruht auf einem falschen Narrativ

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Gilda Sahebi Autorin und freie Journalistin mit den Schwerpunkten Antisemitismus und Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft © Hannes Leitlein

In ihrem Buch „Wie wir uns Rassismus beibringen“ zeigt die Journalistin Gilda Sahebi, wie wir spaltende Narrative aufnehmen und weitertragen. Wir gefährden damit nicht nur unser friedliches Zusammenleben, sondern auch unsere demokratischen Werte.

„Erst wenn du eine Erzählung erkannt und als falsch entlarvt hast, haben Fakten eine Chance.“

herCAREER: Warum reagieren die Deutschen oft so allergisch auf das Wort Rassismus?

Gilda Sahebi: Ich glaube, wir wollen keine Schatten haben. Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber ich glaube, wir wollen gute Menschen sein und weisen alles „Schlechte“ von uns. Aber natürlich können alle Menschen egoistisch, gemein oder sogar grausam handeln. Wir müssen nicht so tun, als hätten wir keine dunklen Seiten in uns. Zudem ist Rassismus in Deutschland aufgrund der Geschichte extrem emotional besetzt.

herCAREER: Ist es da nicht verständlich, dass Menschen sich davon abgrenzen wollen?

Das Problem ist: Wenn wir so tun, als ob wir nicht in der Lage wären, rassistisch zu denken oder zu handeln, machen wir es uns allen schwerer, uns damit auseinanderzusetzen und daran zu arbeiten.

herCAREER: Eine Haltung, die wir auch aus dem feministischen Diskurs kennen. Männer und auch weiße Frauen blocken sehr schnell ab, wenn sie auf ihre Privilegien hingewiesen werden. Ist das vergleichbar?

Gilda Sahebi: Auf jeden Fall. Sobald in der deutschen Frauenbewegung über Rassismus gesprochen wird, passiert das Gleiche. Sie wirft anderen diskriminierendes Verhalten vor, ist aber selbst diskriminierend. Wenn man als Person und als Gesellschaft nicht lernt, dass es richtig, gut und stark ist, seine dunklen Seiten zu sehen, dann bleiben sie immer da.

herCAREER: Jede Person, die schon einmal Therapie gemacht hat, weiß, dass Selbstreflexion die härteste aller Übungen ist. Warum ist es so schwer, unsere Mechanismen zu hinterfragen?

Vielleicht weil es nicht ohne Schmerz geht? Ich weiß, dass mich mein eigener Weg an meine Grenzen gebracht hat, aber ich bin so froh, dass ich ihn gegangen bin. Man schaut tief in seinen Schmerz hinein, das tut extrem weh – und erst danach wird es richtig gut. Erst dann kann man wirklich frei leben, glaube ich.

herCAREER: Eine der zentralen Aussagen deines Buches ist, dass Deutschland immer – auch seit der Reichsgründung 1871 – ein Einwanderungsland war, wir uns aber bis heute einreden, das sei nicht so. Warum, glaubst du, können wir nicht anerkennen, dass Deutschland eine pluralistische Vergangenheit und Zukunft hat?

Weil es uns immer anders erzählt wurde. Die historische Meistererzählung, die ich in meinem Buch beschreibe, ist die von Westbindung, Wirtschaftswunder und 68ern. Die Erzählung über Migration dagegen wird entweder ignoriert oder ist weitgehend eine von Kriminalität. Dabei gibt es natürlich viel mehr positive Begegnungen als negative. Aber diese Begegnungen werden nicht erzählt. So verschwinden sie für das allgemeine Bewusstsein, für das historische Gedächtnis.

herCAREER: „Wir sind so – die anderen sind anders.“ Diese Abgrenzung nennt man auf Neudeutsch „Othering“. Wie wirkt sich diese Haltung auf das Zusammenleben aus?

Gilda Sahebi: Abgrenzung ist und war immer ein Herrschaftsinstrument. Weil man durch Spaltung Macht über andere ausüben kann. Das haben schon die alten Römer so gemacht, das haben die USA so gemacht, das machen wir so, damals und heute. „Die nehmen uns die Zahnarzttermine weg. Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Die vergewaltigen unsere Frauen.“ Keine dieser Geschichten ist wahr, weil solche Verallgemeinerungen nicht der Realität entsprechen. Aber sie funktionieren als einfache Erzählungen ausgesprochen gut.

herCAREER: Du hast in einem Vortrag gesagt: „Was Menschen verbindet, ist größer als das, was sie trennt. Aber wir glauben den Geschichten, die uns versichern, dass Trennung uns Sicherheit bringt.“ Kann man unsere rassistischen Narrative damit erklären, dass die Menschen einfach Angst haben?

Ich glaube nicht, dass rassistisches Denken dem Gehirn eigen ist. Es wird gelernt. Ich glaube, das Gehirn nimmt das auf, was ihm vorrangig gegeben wird. Das Narrativ der Spaltung ist überall: Wir unterscheiden nach Geschlecht, nach sexueller Identität und Orientierung, nach Herkunft. Nehmen wir das Bürgergeld: Der Diskurs dreht sich um die Fleißigen und die Faulen. Was heißt denn das? Ist die Frau, die ihre kranken Angehörigen pflegt und deshalb nicht erwerbstätig ist, faul? Diese Sachverhalte sind komplex, werden aber im politischen Diskurs weder freiwillig erklärt noch öffentlich hinterfragt. So werden Arbeitslose automatisch zu „Faulen“, aber niemand spricht mehr darüber, warum diese Menschen keine Arbeit finden, über die strukturellen Faktoren – die sich im Übrigen verbessern ließen.

herCAREER: Dabei sind wir offensichtlich in der Lage, zu differenzieren. Wir tun das ständig, indem wir französische, italienische oder schwedische Ausländer*innen mit ganz anderen Augen sehen als etwa Flüchtlinge aus der Ukraine, die wir wiederum von denen aus Syrien oder Afghanistan abgrenzen. Wie lässt sich das erklären?

Solche Klassifizierungen gab es schon im deutschen Kaiserreich. Da wurden farbige Karten verteilt: Polen bekam rote Karten, die Niederlande blaue und so weiter. Es gab Zeiten, da waren die Italiener*innen und die Spanier*innen die Bösen, später warf man portugiesischen Einwanderern vor, dass sie deutsche Frauen sexualisierten. Im Moment leben wir in einer Welt, die sehr antimuslimisch ist.

herCAREER: Selektive Wahrnehmung also?

Gilda Sahebi: Der Mensch hat immer noch sein Steinzeitgehirn, das alles Negative anzieht wie Klett und alles Positive abstößt wie Teflon. Früher war das überlebenswichtig – für unser heutiges Zusammenleben müssen wir uns das abtrainieren. Wenn uns Politik, Medien und Umfeld ständig erzählen, dass vom afghanischen Mann eine Gefahr ausgeht, dann glauben wir das auch. Meistens unbewusst.

herCAREER: Heißt das, dass jede Form von Diskriminierung auf einem falschen Narrativ beruht?

Ja, und das kennen wir alle – besonders Frauen*: Wir sind nicht schön genug, nicht klug genug. Wir müssen Leistung bringen, um geliebt zu werden. Und wir wissen auch: Dieses Narrativ ändert sich nicht dadurch, dass jemand mir sagt: „Du bist aber schön“ und „du bist aber klug“. Diese Erzählung ändert sich nur, wenn man sie selbst in Frage stellt.

herCAREER: Die Deutschen gehören erwiesenermaßen zu den reisefreudigsten Völkern der Welt. Sie besuchen regelmäßig fremde Kulturen. Warum heißen wir sie dann nicht bei uns willkommen?

Weil wir glauben – weil es uns vermittelt wird –, dass sie uns etwas wegnehmen. Und diese Angst, etwas zu verlieren, das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden – das ist so stark. Das kennen wir alle, am Arbeitsplatz, in der Familie, im Freundeskreis.

herCAREER: Wie beurteilst du den Fokus auf DE&I-Maßnahmen in Unternehmen? Unternehmen wie auch Start-ups vermitteln ein harmonisches Multikulti. Aber Menschen geben ihre sexistischen, rassistischen oder ableistischen Vorurteile nicht einfach am Empfang ab, oder?

Gilda Sahebi: Ich bin absolut gegen diese Form von erzwungener Vielfalt, weil sie für mich nur Dekoration ist. Dieses Narrativ ist unehrlich und gefährlich. Denn wenn das Selbstbild einer Person feministisch, inklusiv oder linksliberal ist, dann hinterfragt sie sich nicht mehr wirklich. Dann fällt es leicht zu sagen: Ich kann eine Frau gar nicht schlecht behandeln, schließlich bin ich Feminist*in! Und das ist eine sehr, sehr giftige Mischung.

herCAREER: Was wäre eine ehrlichere Haltung in Unternehmen?

Zu sagen: Wir sind nicht diskriminierungsfrei. Das können wir nicht sein. Aber wir überprüfen unsere Gehaltsstrukturen und den Anteil von Frauen* in Führungspositionen. Wir hinterfragen unsere Strukturen und Abläufe. Und wir haben Antirassismusbeauftragte und Ansprechpersonen für Diskriminierungen oder Konflikte aller Art.

herCAREER: Was wären neue Narrative für die Zukunft? Was wünschst du dir?

Ich wünsche mir Ehrlichkeit. Solange Politiker*innen sich selbst und uns etwas vormachen und so tun, als hätten wir kein Problem mit sexualisierter Gewalt, mit Rassismus, Ableismus und dergleichen, wird sich nichts ändern. Ich wünsche mir, dass Journalist*innen diese Dinge beobachten und darüber sprechen. Auch in der Bildung sollten wir früh mit ehrlichen Gesprächen anfangen, die auch erklären, dass eine schlechte Tat oder schlechte Gedanken noch keinen schlechten Menschen machen.

herCAREER: Medien spielen eine große Rolle als Multiplikatoren. Eine Chefredakteurin hat mir neulich gesagt, dass die Zukunft des Journalismus zu einem großen Teil im Faktencheck liegen wird: Aussagen überprüfen, Dinge richtigstellen, Deepfakes identifizieren …

Das ist ein schreckliches Zeugnis für das, was bei uns passiert. Aber Faktencheck allein ist nicht die Lösung. Wenn Fakten ausreichen würden, wäre Donald Trump nicht in der Lage, eine zweite Präsidentschaft anzustreben. Erzählungen schlagen Fakten: Wenn dein Narrativ „Ich bin nicht gut genug“ ist, dann kannst du 50-mal eine 1 in Mathe schreiben – du wirst trotzdem nicht glauben, dass du gut bist.

herCAREER: Aber wie kann ich so einem Narrativ entgegentreten?

Du musst es erst einmal als falsche Erzählung erkennen. The first step is knowledge. Erst wenn du die Erzählung erkannt und als falsch entlarvt hast, haben Fakten eine Chance.

herCAREER: Müssen Journalist*innen es also schaffen, völlig neutral zu sein?

Nein, bitte nicht neutral! Ich habe auch kein neutrales Buch geschrieben – es vertritt ganz klare Werte. Aber ich möchte, dass die Leserinnen und Leser selbst entscheiden, was sie von meinem Buch halten. Ich will sie nicht manipulieren. Wenn Politiker*innen sagen: „Das ist unerhört!“ oder von „den Faulen“ sprechen, dann ist das wertend und manipulativ, und genau das müssen Medien klar benennen.

herCAREER: Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass mehr Menschen verstehen, wie unglaublich toll es ist, an sich selbst zu arbeiten – und nicht an anderen.

Das Gespräch führte herCAREER-Redakteurin Kristina Appel.

Bild: Gilda Sahebi Autorin und freie Journalistin mit den Schwerpunkten Antisemitismus und Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft © Hannes Leitlein

Quelle mess.rocks GmbH

Politbarometer: Union legt zu – Grüne verlieren

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Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Im aktuellen ZDF-Politbarometer kann die Union in der Wählergunst zulegen, während die Grünen nachlassen.

Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre, könnten CDU und CSU mit 33 Prozent (+1) rechnen. Die Grünen kommen auf elf Prozent (-2). Auch bei den anderen Parteien tut sich einiges: Die SPD erreicht in der Erhebung 15 Prozent, die AfD 17 Prozent und die Linke vier Prozent (alle +1).

Das BSW büßt einen Punkt auf sieben Prozent ein. Die FDP bleibt bei vier Prozent. Die anderen Parteien liegen nun zusammen bei neun Prozent (-1), darunter keine Partei, die mindestens drei Prozent erzielen würde.


Foto: Friedrich Merz (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

Foto/Quelle: dts

Brandenburgs Ministerpräsident verspricht volle Amtsperiode

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Potsdam (dts Nachrichtenagentur) – Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) tritt Spekulationen entgegen, er werde im Fall einer Wiederwahl keine vollen fünf Jahre im Amt bleiben, sondern vorzeitig an einen Nachfolger übergeben.

„Ich trete natürlich an, weil ich die nächsten fünf Jahre durcharbeiten möchte“, sagte er dem „Tagesspiegel“ und den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ (PNN, jeweils Freitagsausgabe). Die anstehende Abstimmung nannte er eine „Schicksalswahl für Brandenburg im wahrsten Sinne des Wortes“.

Am Donnerstag wurden die neuen Zahlen des RBB-„Brandenburg-Trend“ bekannt. Demnach liegen die Sozialdemokraten bei 23 Prozent – und damit vier Prozentpunkte hinter der AfD. Er brauche die Unterstützung der Brandenburger, „damit unsere stolze Brandenburger Fahne keine großen braunen Flecken kriegt“, sagte Woidke.


Foto: SPD-Wahlplakat mit Dietmar Woidke zur Landtagswahl in Brandenburg (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

Foto/Quelle: dts