Der Ruf nach Selbstmanagement, -verwaltung und -organisation wird immer lauter. Unternehmen brauchen dezentrale statt traditionelle Strukturen – und trotzdem Führungskräfte, die ihre Teams in diesem Prozess begleiten.
Selbstverwaltung am Arbeitsplatz wird oft mit einem Unternehmen ohne formale Hierarchie gleichgesetzt. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grad. Die Mitarbeitenden in selbstverwalteten Unternehmen haben die Freiheit, ihre Zeit und ihre Arbeit so zu organisieren, wie es ihren individuellen Bedürfnissen am besten entspricht. Sie wissen aber auch, was von ihnen erwartet wird und dass ihre Beiträge zu den übergeordneten Zielen des Unternehmens beisteuern müssen.
Vertrauen und Bestätigung statt Befehl und Kontrolle
Selbstverwaltete Teams sind nach wie vor darauf angewiesen, dass „Vorgesetzte“ Input geben und manchmal sogar Anweisungen erteilen. Dies geschieht allerdings eher auf der Basis von „Vertrauen und Bestätigung“ als im traditionellen Stil von „Befehl und Kontrolle“. Die Herausforderung als Unternehmer oder Führungskraft besteht darin, die Richtung vorzugeben und die Balance zwischen größerer Autonomie und dem Wachstum des Unternehmens zu wahren. Ohne Orientierung führen Entscheidungen möglicherweise nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Vor allem aber stellen Mitarbeitende Verantwortlichkeiten in Frage. Die Folgen sind unnötige Revierkämpfe und Abteilungssilos.
4 Tipps für Führungskräfte: Aufbau von Selbstmanagementfähigkeiten im Team
Unternehmen, die ihr Management dezentralisieren und mit selbstverwalteten Teams arbeiten wollen, streben eine komplett neue Struktur an. Das geht nicht von heute auf morgen! Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitenden dabei helfen, die notwendigen Fähigkeiten zur Selbstorganisation zu entwickeln.
1. Jeder darf sich selbst verwirklichen
Äußerer Wandel erfordert zuallererst inneren Wandel. Der persönliche Entwicklungsweg jedes Teammitgliedes ist der Schlüssel zum Aufbau von Selbstmanagementfähigkeiten. Dafür müssen Mitarbeitende zunächst ihre Ziele, Werte und Glaubenssysteme entdecken. Ikigai ist ein Konzept, das jedem die Möglichkeit bietet, herauszufinden, was das eigene Leben lebenswert macht, d.h. was er oder sie liebt, was er/sie gut kann, und wofür andere ihn/sie gerne bezahlen. Um Teammitgliedern dabei zu unterstützen, sich selbst auszudrücken, muss das richtige Umfeld geschaffen werden. Mitarbeitende brauchen einen sicheren Raum, in dem Authentizität geschätzt wird.
2. Ziele und Pläne fördern Spontaneität
Bis zu einem gewissen Grad wird menschliches Verhalten durch Strukturen gesteuert. Da die Summe der kollektiven menschlichen Verhaltensweisen eine Kultur bildet, ist ein Balanceakt erforderlich, wenn es um die Hierarchie einer selbstverwalteten Teamstruktur geht. Selbst die kleinste Ungleichheit in den zentralen Prozessen kann die Autonomie einschränken und die Menschen daran hindern, spontan zu sein, wie es dem Unternehmen dienlich wäre.
Das Erlernen von Spontaneität oder die Unterstützung von mehr Spontaneität am Arbeitsplatz, hängt oft mit Plänen und Zielen zusammen. Pläne, insbesondere langfristige, können sich ändern. Führungskräfte müssen diese Tatsache verstehen und dem Team passend vermitteln. Das soll nicht heißen, dass eine Organisation ohne Struktur arbeiten sollte, sondern vielmehr mit einer Struktur, die organisch ist, um Kreativität, kritisches Denken und intrinsische Motivation zu fördern.
3. Transparenz hilft bei der Entscheidungsfindung
Unternehmer und Führungskräfte gehen bei der Entscheidungsfindung nicht immer transparent vor und behandeln Informationen als etwas, das man haben oder wissen muss. Obwohl es Situationen gibt, in denen dies zutrifft, können fehlende Details das Verständnis einschränken und zu weniger effektiven Entscheidungen führen. Mit Ausnahme bestimmter gesetzlicher Datenschutzverpflichtungen sollten Mitarbeitende Zugang zu notwendigen Geschäftsinformationen haben. Auf diese Weise können Unternehmen die kollektive Intelligenz und Zusammenarbeit des Teams nutzen.
4. „Vorgetäuschte“ Harmonie vermeiden
Nur wenn die Teammitglieder über ihren Selbstwert nachgedacht haben, werden sie das Vertrauen und die Kraft haben, in einer selbstverwalteten Teamstruktur zu gedeihen. Wird dem Selbstmanagement Priorität eingeräumt, muss man sich von der Idee der Harmonie lösen und sich auf Spannungen einlassen, die am Arbeitsplatz unweigerlich entstehen.
Andernfalls wird die Positivität zu einer Illusion, die zerbricht, wenn die Hindernisse wachsen. Unternehmer und Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und auch Mitarbeitende ermutigen, aktiv zuzuhören. So gelingt es, die Standpunkte der anderen Parteien zu verstehen (nicht gleichbedeutend mit „Einverstanden sein“), sowie die Verantwortung für die eigene (non-)verbale Kommunikation zu übernehmen.
In selbstverwalteten Organisationen ist jeder ein Manager!
In der Vergangenheit kontrollierten Führungskräften oft Budgets, Zielerreichung, Zeiterfassung u.a. Das ist auch in der selbstorganisierten Zukunft wichtig, allerdings wird dies jeder für sich selbst oder gemeinsam mit dem Team tun. Demzufolge wird sich auch die Rolle der Führungskraft ändern.
Glücklicherweise bringt die neue Struktur viele Vorteile für den Einzelnen und das Unternehmen mit sich. Tragen Führungskräfte dazu bei, das Selbstmanagement am Arbeitsplatz zu fördern, steigen mit der Eigenverantwortung meist auch die Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung. Selbstverwaltung fördert die Innovation, schafft einen fließenden Ressourcenfluss, der die Arbeitsabläufe verbessert, und ermöglicht es so Unternehmen, flexibler auf sich ständig verändernde Märkte zu reagieren.
Autor
Timm Urschinger ist Mitgründer und CEO von LIVEsciences. Seine Erfahrung im Management globaler Programme und Transformation hat in ihm die Leidenschaft geweckt, pragmatische und innovative Lösungen zu entwickeln. Neue Organisationsmodelle wie Teal spielen dabei eine große Rolle
1 https://www.bbc.com/worklife/article/20170807-ikigai-a-japanese-concept-to-improve-work-and-life
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