18 Prozent weniger Startup-Gründungen im Vergleich zu Q2 und 30 Prozent weniger Neugründungen als im Vorjahresquartal 2021Deutschlandweite Verteilung: Bayern erstmals gleich auf mit Berlin.Positive Entwicklungen im Bereich Deep-Tech
Im 3. Quartal hat sich die aktuelle Krise noch stärker auf den deutschen Startup-Markt ausgewirkt als in der ersten Jahreshälfte 2022. Dies zeigt eine aktuelle Marktanalyse des technologie- und datengetriebenen Venture-Capital-Unternehmens Morphais VC. Basierend auf den Daten von Startupdetector wurden gerade einmal 578 neue Startups im 3. Quartal gegründet. Dies sind 18 Prozent weniger als im 2. Quartal dieses Jahres und sogar 30 Prozent weniger als im Vorjahresquartal 2021.
Dabei ist im Vergleich zum Boom-Jahr 2021 vor allem der Anteil an Neugründungen im Bereich E-Commerce sowie in der Software-Branche leicht rückläufig (E-Commerce: -2 Prozent, Software: -3 Prozent). Hingegen ist der Anteil von Startups, die aus dem Gesundheitstechnologie-Sektor kommen, im Vergleich zum Vorjahr von 10 Prozent auf 12 Prozent gestiegen.
Deutschlandweite Verteilung von Neugründungen: Bayern erstmals gleich auf mit Berlin
Prozentual gesehen kamen im letzten Jahr 18 Prozent aller Neugründungen aus Bayern, in diesem Jahr waren es zwischen Januar und September bereits 21 Prozent. Damit ist der Anteil an Neugründungen im bundesweiten Vergleich erstmals genauso hoch wie in Berlin (ebenfalls 21 Prozent). Auf dem dritten Platz befindet sich Nordrhein-Westfalen, wo zwischen Januar und September 17 Prozent aller neuen Startups gegründet wurden, gefolgt von Baden-Württemberg (11 Prozent) und Hessen (8 Prozent).
Eva-Valérie Gfrerer, CEO & General Partner von Morphais VC, kommentiert die Entwicklung für Bayern:
„Innovative Wagniskapitalfirmen haben bereits erkannt, dass die erfolgreichsten Gründerteams der Zukunft nicht nur aus Startup-Hubs wie Berlin oder London kommen, sondern auch an technologischen Wissenschaftsstandorten wie beispielsweise München oder Zürich zu finden sind.“
Anstieg von Deep-Tech: Der Anteil von Deep-Tech-Startups ist von 6 auf 10 Prozent gestiegen
In Zeiten der Krise verschiebt sich der Fokus auf neue technologische Lösungen. Besonders gut stehen deshalb die Chancen für Deep-Tech-Startups. Deep-Tech-Unternehmen entwickeln problemorientierte Produkte und Lösungen, die mehrheitlich auf wissenschaftlicher Forschung oder neuartigen Algorithmen basieren. Dabei verbinden sie verschiedene Technologieansätze und sind überwiegend schutzfähig, beispielsweise durch Patente, und damit schwerer nachahmbar.
Die Datenuntersuchung von Morphais VC zeigt einen kontinuierlichen Aufwärtstrend hinsichtlich der Zahl von Deep-Tech-Neugründungen. So wurden von Januar bis September dieses Jahres jetzt schon genauso viele Deep-Tech-Neugründungen in Deutschland gezählt, wie im gesamten Boom-Jahr 2021 (2022: 209 Startups, 2021: 207 Startups, 2020: 107 Startups). Insgesamt ist im Vergleich zum Vorjahr der Anteil von Deep-Tech-Startups von 6 Prozent auf 10 Prozent gestiegen.
„Dass die Zahl der Neugründungen im Deep-Tech-Bereich weiter steigt, ist ein sehr positives Zeichen für die Branche und für Deutschland als Innovationsstandort. Zudem sind Deep-Tech-Startups für VCs besonders attraktiv, weil die Zahl der Startups, die einen Exit machen, bei Deep-Tech-Unternehmen 21 Prozent höher ist als bei durchschnittlichen Startups aus Europa*,“ so Eva-Valérie Gfrerer, CEO & General Partner von Morphais VC.
Deep-Tech-Lösungen werden am häufigsten für den Gesundheitsbereich entwickelt
Des Weiteren belegt die Datenauswertung von Morphais VC, dass problemorientierte, technologische Lösungen aktuell am häufigsten für den Gesundheitsbereich entwickelt werden: 16 Prozent aller Deep-Tech-Neugründungen sind dem sogenannten Health-Tech-Bereich zuzuordnen. Allgemein gilt der Gesundheitssektor als eine der Schlüsselbranchen, in denen innovative Lösungen besonders dringend notwendig sind. Zudem kommen 15 Prozent aus dem Bereich Software, 10 Prozent sind Industrie-Lösungen (z.B. Robotics), 9 Prozent fallen in die Kategorie Blockchain und Krypto und 8 Prozent sind Klima-Technologien.
Dr. Thorsten Lambertus ist Geschäftsführer von DEEP, dem „Institute for Deep Tech Innovation” an der Business School ESMT Berlin, und bekräftigt ein steigendes Interesse an problemorientierten Lösungen:
„Aktuell ist die Aufmerksamkeit für das Thema Deep-Tech so hoch wie schon lange nicht mehr. Durch die Kombination aus unserer starken Forschungslandschaft und einer neuen Gründergeneration entsteht ein enormes Lösungspotenzial, um die zukünftigen Herausforderungen in den Bereichen Klima, Gesundheit, Resilienz oder Fachkräftemangel zu bewältigen.”
Gleichzeitig sieht Dr. Lambertus aber weiterhin eine Kluft zwischen Universitäten, Gründertum und Investoren. Es gibt immer noch große Reibungsverluste, wenn es um kapitalmarktfähige Verträge zur Nutzung geistigen Eigentums geht. Zudem müssen VC’s fähig sein, das Risiko von Technologie einschätzen und tragen zu wollen und es bedarf in Europa weiterhin mehr Kapital, damit sich Deep-Tech-Startups zu wettbewerbsfähigen, global erfolgreichen Unternehmen entwickeln können. Außerdem ergänzt er:
„Es fehlt oft noch an einem gegenseitigen Verständnis, wie die Welt des jeweils anderen funktioniert. Das klassische Deep-Tech-Gründerteam gründet oft zum ersten Mal und hatte bisher keine oder nur wenige Berührungspunkte mit Kapitalgeber:innen. Zudem unterscheiden sich die akademische Wissenschaftskultur und deren Regelwerk deutlich vom Kapitalmarkt. Ein Deep-Tech-Startup kann man auch nicht wie ein App-Unternehmen mit ‘blitzscaling’ innerhalb kürzester Zeit zu einem Exit bringen. Hier müssen beide Welten noch weiter zusammenwachsen, was aber auch gerade passiert.“
Für die nächsten Jahre sieht auch Eva-Valérie Gfrerer, CEO & General Partner von Morphais VC, noch viel Nachholbedarf, wenn es um die Unterstützung von Startups geht:
„Obwohl Deep-Tech-Lösungen für die Zukunft unserer Gesellschaft unverzichtbar sind, investieren traditionelle VCs immer noch überwiegend in Gründer:innen mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Gleichzeitig scouten viele VCs nur innerhalb ihres eigenen Netzwerks. Problematisch hierbei ist, dass sehr talentierte Gründerteams außerhalb des Netzwerkes übersehen werden und Kapital ungleich verteilt wird. Um die globalen Herausforderungen unserer Welt zu lösen, muss europaweit mehr Kapital in Gründerteams fließen, die starke technologische Lösungen und damit wirkliche Innovationen entwickeln. Diese Lösungen sorgen dafür, dass unser europäischer Technologiemarkt international wettbewerbsfähig wird und sie lassen neue Märkte entstehen.”
Quelle: Head of Marketing & Communications