Potsdam (dts Nachrichtenagentur) – Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) will ein „neues ostdeutsches Selbstbewusstsein“. Es werde Zeit dafür, sagte der SPD-Politiker dem „Tagesspiegel“ und den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ (Mittwochausgabe).
„Es ist die Überheblichkeit, mit der oft über Ostdeutschland geredet wird. Das muss sich dringend ändern.“ Woidke verwahrte sich gegen „Hochnäsigkeit“. Über Jahre habe auch er persönlich als Ministerpräsident sehr oft und in den verschiedensten Runden vor allem Mitleid mit Ostdeutschland erlebt. „Doch jetzt sind wir auf einer anderen Stufe – jetzt geht es um Neid“, sagte der Ministerpräsident. „Brandenburg hatte 2022 die beste Wirtschaftsentwicklung aller Flächenländer in Deutschland, sie ist fast doppelt so gut wie der bundesdeutsche Durchschnitt. Und wir sind erst am Anfang.“ Man werde noch besser werden, so Woidke. „Das ist für viele im Westen eine völlig neue Wahrnehmung.“ Das Selbstbewusstsein müsse auch dem Bund gegenüber geltend gemacht werden. Woidke forderte die Ostdeutschen auf: „Wir selber entscheiden darüber, wie wir wahrgenommen werden. Wir selber müssen rausgehen.“ Selbstverständlich müssten Ostdeutsche Unipräsidenten oder Ministerinnen auch in westdeutschen Bundesländern werden, ohne dass es als Besonderheit herausgehoben werde. Der Ministerpräsident kritisierte, Ostdeutsche seien „noch immer deutlich unterrepräsentiert“ in den Führungspositionen. Auch die mediale Landschaft sei westdeutsch geprägt. Er habe sich vorgenommen, Ostdeutsche in der Repräsentanz seines Landes stärker herauszustellen.
Woidke rügte in dem Zusammenhang auch die noch immer bestehenden Unterschiede in der Bezahlung und fragte, wieso eine Bäckereifachverkäuferin im Osten schlechter bezahlt werde als im Westen. „Da fängt das Ganze an, es hört aber nicht dabei auf.“ Woidke sieht trotz rechtsextremer Vorfälle an einer Schule in Burg im Spreewald und mutmaßlich rassistischer Attacken auf eine Berliner Schulklasse in einem Ferienheim keine Rückkehr des Ausländerhasses der 1990er Jahre in Brandenburg. Das Land werde nicht erneut vom Rechtsextremismus eingeholt, sagte der Ministerpräsident: „Wir haben viel erreicht, so zum Beispiel hunderte Neonazis aus Halbe zu vertreiben.“
Brandenburg habe eine lange Geschichte in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. „Die Ereignisse an der Schule in Burg und im Ferienlager am Frauensee sind abstoßend und nicht zu tolerieren“, so Woidke weiter. Brandenburg habe aber heute eine „funktionierende, starke Zivilgesellschaft“. Diese brauche aber „auch den starken Staat, der repressiv eingreifen muss, wo es Vorfälle gibt“.
Der Staat werde auch in diesem Fall nicht wegschauen, so Woidke. „Die Ermittlungen laufen.“ Dass die AfD laut Umfragen stärkste Kraft in ganz Ostdeutschland ist, müsse man „sehr, sehr ernst nehmen“, sagte er. In Brandenburg sei die AfD eine „zutiefst rechtsextremistische Partei“. Das müsse klar benannt werden, „selbst wenn sie fröhlich und freundlich bei einer Rassekaninchenausstellung, im Tierheim oder sonst wo daherkommt“, so Woidke.
Foto: Dietmar Woidke, über dts Nachrichtenagentur
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